Mädchengruppe aus Athen: Tanz verbindet.

Foto: Jutta Berger

Erwin Reis managt die World Gymnaestrada 2019.

Foto: WG 2019

Medienauftritt. Inklusion ist selbstverständlich.

Foto: Jutta Berger

Dornbirn – Das kleine Mädchen im schwarz-gold-roten Glitzertrikot lutscht am Daumen, winkt mit keckem Lächeln dem Publikum zu. Drei, vier Jahre wird sie alt sein. Sie wurde mit Downsyndrom geboren, ist das jüngste Mitglied einer Turn- und Tanzgruppe aus Großbritannien. Eine Gruppe, für die Inklusion selbstverständlich ist und die vor Lebensfreude sprüht. Der Auftritt der Briten bei der World Gymnaestrada 2019 in Dornbirn wird mit Standing Ovations belohnt.

In der Nebenhalle begeistern junge Japanerinnen und Japaner. Perfekt in Bewegung, Outfit, Stil. "Hopp "Hopp Schwiiz" tönt aus einer anderen Halle. Schweizer Seniorinnen und Senioren legen einen Rock 'n' Roll aufs Parkett, dass manchen Jungen schwindlig wird. Diese drei Blitzlichter aus dem Programm am Dienstagvormittag geben einen Eindruck, wie vielfältig die weltgrößte Turnveranstaltung ist. Menschen aller Altersgruppen aus 66 Nationen treffen sich für eine Woche unter dem Motto "Come together. Show your colours!" zum freundschaftlichen Fest der Bewegung.

Sport, weil's Spaß macht

Bereits zum zweiten Mal findet die World Gymnaestrada, die alle vier Jahre durchgeführt wird, in Dornbirn statt. Hier geht es nicht um Wertungen, Meter und Sekunden, nicht um Medaillen und Sponsorenverträge. "Die Menschen kommen, um sich gegenseitig zu feiern und ihr Land positiv darzustellen", sagt Erwin Reis (69), Geschäftsführer der Weltgymnaestrada.

Reis trägt die Verantwortung für ein Elf-Millionen-Euro-Budget. Ein Betrag, der zum größten Teil von den Teilnehmenden eingebracht wird. Für Menschen aus armen Ländern haben Reis und Freunde Projekte gestartet. Ausgebildet von Vorarlberger Trainern, kommen Jugendliche aus drei afrikanischen Staaten nach Dornbirn. Finanziert wurde das unter anderem durch den Verkauf von 60.000 Gymnaestrada-Broten in Vorarlberger Bäckereien.

Öffentliche Gelder machen rund zehn Prozent des Budgets aus. Möglich ist die Organisation eines Breitensport-Großereignisses nur durch Freiwilligenarbeit. Neben 30 bezahlten Kräften wirken zwischen 8.000 und 9.000 Freiwillige mit. Rekrutiert werden sie vor allem aus den örtlichen (Turn-)Vereinen. Sie helfen im Messequartier, vor allem aber auch in den Nationendörfern, wo der Großteil der Teilnehmenden in Schulen und Privatquartieren untergebracht wird.

Offenes Vorarlberg

Das Rheintal ist eine Woche lang international: "Mäder und Altach sind brasilianisch, im Rheindelta sind die Finnen zu Hause, in Rankweil die Kanadier, in Bregenz wohnen die Deutschen", zählt Reis einige Beispiele auf. "Es ist großartig, wie die Vorarlberger, die ja nicht als sehr offen gelten, den Geist der Gymnaestrada aufnehmen", lobt Erwin Reis, den man liebevoll "mister no problem" nennt.

"Es findet sich für alles eine Lösung", sagt der Veranstalter aus Leidenschaft. Manchmal auch eine unangenehme. So musste man die Eröffnungsfeier, zu der vergangenen Sonntag 25.000 Menschen erwartet wurden, wegen eines Unwetters verschieben. "Blitz und Sturm, dieses Risiko war zu groß", bedauert Reis. Das Großereignis wird am Mittwoch nachgeholt.

Show your colours!

Was fasziniert an der Gymnaestrada so? Auf einer Bank am Brunnen am Messegelände sitzen Menschen unterschiedlicher Altersgruppen aus mehreren Ländern. Ursula Strauch aus Bad Nauheim ist seit 20 Jahren dabei. "Dieses Feeling, das kann man niemandem erklären, das muss man erlebt haben", sagt die 75-jährige Gruppenleiterin. Sie organisiert ihre Gruppe, macht die Choreografie, sucht und schneidet die Musik, reist unzählige Kilometer zu Vorbereitungen und Kursen. Die Auftritte bei der Gymnaestrada sind der Lohn fürs Ehrenamt. "Wenn die Aufführung geklappt hat, dann steht man draußen – und dann kommen die Tränen."

Geändert habe sich im Lauf der Jahre einiges, erzählt die Turnerin. "Mehr Junge sind dabei", freut sich Ursula Strauch, der Aufwand an Ausstattung und Choreografien sei größer geworden. "Man sieht sehr viel Akrobatik, unglaublich, was die Leute leisten." Respekt zollt die erfahrene Turnerin all jenen Menschen mit besonderen Bedürfnissen, die mitturnen: "Deren Leistung bewundere ich sehr."

Vier Mädchen im hellblau-weißen Trainingsanzug sind sich einig: "Es ist die Kommunikation, die Freundschaft mit so vielen anderen Menschen. Wir treffen hier Menschen, die ganz unterschiedlich sind und doch etwas Gemeinsames haben. Der Tanz und die Gymnastik verbinden uns." Was den 13- bis 15-jährigen Griechinnen in Vorarlberg besonders imponiert: "Es ist alles super organisiert." (Jutta Berger, 9.7.2019)