Nach dem turbulenten Politfrühsommer, in dem mit Auffliegen der Ibiza-Affäre in der Hofburg Hochbetrieb herrschte, lud Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag zu einem Pressegespräch mit gut zwei Dutzend Journalisten, in dem er die derzeit brennendsten Fragen rund um eine neue Koalition vorerst mit oftmaligem Verweis auf die Verfassung gekonnt parierte, ohne sich dabei auf konkrete Antworten festnageln zu lassen.

Auftritt von Alexander Van der Bellen am Dienstag: "Also fad war es nicht", bilanzierte er den turbulenten Politfrühsommer.
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Doch der Reihe nach. Nach dem Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (ebenfalls FPÖ) auf Vorschlag von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dem Misstrauensvotum gegen Kurz selbst habe er Brigitte Bierlein als Übergangskanzlerin bestellt, erklärte das Staatsoberhaupt, denn: "Rasch" sei klar geworden, dass es hier "zu keiner Einigung" zwischen den Parteien käme. Die Regierung von Bierlein sei aus seiner Sicht "eine Vertrauensregierung" geworden.

Auf eine rasche Entscheidung drängt Van der Bellen nun bei der Suche nach einem EU-Kommissar – dies könne "nicht beliebig aufgeschoben werden". Nötig ist dafür ein Vorschlag der Regierung sowie eine Mehrheit im Hauptausschuss des Nationalrats. Daher will Van der Bellen auch persönlich mit den Parteichefs sprechen.

Für den Wahlkampf gab er sich zuversichtlich, dass sich die Parteien "die Dialogfähigkeit" erhalten – auch wenn sie nun im Wettkampf stünden und den Bürgern erklären, wohin sie "unsere Heimat" führen wollen. Die neue Regierung werde sich jedenfalls "dem Investitionsstau beim Bundesheer", "der Personalnot bei der Justiz" und der Kinderbetreuung, etwa in Ganztagsschulen, widmen müssen.

Vorerst keine klaren Worte zu Kickl, später doch

Ob er weiterhin als Skeptiker einer Minderheitsregierung gelte, wie derzeit von ÖVP-Chef Kurz anvisiert? Van der Bellen: "Ich würde jetzt gar nichts ausschließen", aber: Sein "Ziel" wäre "schon, eine Bundesregierung mit Mehrheit im Nationalrat zu haben". Ob er sich also eine Dreierkoalition gut vorstellen könne? "Let's wait and see!" – auch einer solchen Variante stehe die Verfassung nicht entgegen, betonte Van der Bellen.

Das Übergangskabinett ist für Alexander Van der Bellen "eine Vertrauensregierung" – und er ist "schon ein bisschen stolz darauf, wie wir das hingekriegt haben".
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Mehrere Anläufe unternahm die anwesende Medienrunde zu Mittag, um dem Bundespräsidenten zu entlocken, ob er Kickl noch einmal angeloben würde – wenn nicht als Innen-, dann vielleicht als Sozialminister? Zunächst ohne Erfolg. Nur so viel: Sollte die ÖVP stärkste Partei werden, "würde ich ja nicht davon ausgehen, dass Sebastian Kurz mir Herbert Kickl wieder vorschlägt". Vor der letzten Regierungsbildung habe er zwei Namen genannt, die für ihn als Regierungsmitglieder nicht infrage kämen, erinnerte Van der Bellen an die damalige Aufregung – ohne den abgetretenen FPÖ-Klubchef Johann Gudenus und den blauen EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky erneut zu nennen. Darüber zu spekulieren, was nach der Wahl "alles sein" könne, hielte er daher für "nicht nützlich".

Zu späterer Stunde in der "Zeit im Bild 2" schloss Van der Bellen dann immerhin doch aus, dass er Kickl als Innenminister angeloben würde. "Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es tatsächlich so käme, würde es an mir scheitern", sagte er im ORF. Ob das auch für eine anderes Ressort für Kickl gälte, ließ der Bundespräsident jedoch abermals offen.

Zu späterer Stunde schloss Alexander Van der Bellen in der "Zeit im Bild 2" dann doch aus, dass er Herbert Kickl als Innenminister noch einmal angeloben würde.
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Deutlich wurde Van der Bellen auch zur Kritik von Pamela Rendi-Wagner am Rechnungshof befragt: Zuletzt hatte die SPÖ-Chefin im Zuge der Reform der Parteienfinanzierung mit FPÖ und Jetzt darauf hingewiesen, dass das oberste Kontrollorgan mit weisungsgebundenen Beamten beschickt sei, während die künftig vorgesehenen Wirtschaftsprüfer unabhängige Experten wären. Hier appellierte der Bundespräsident an alle Fraktionen, von Aussagen abzusehen, "die das Vertrauen in die Institutionen untergraben könnten". Der Rechnungshof habe Aufgaben und Pflichten – "und dafür ist er da, etwas zu kritisieren", erklärte Van der Bellen. "Ich habe keinen Grund, dem Rechnungshof Vorschussmisstrauen entgegenzubringen."

Beim Pressegespräch Dienstagmittag nannte Alexander Van der Bellen auch den Klimaschutz als wichtige Agenda im nächsten Regierungsprogramm.
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Fragen und Plagen

Was das freie Spiel der Kräfte im Parlament vor der Nationalratswahl betrifft, bat er die Abgeordneten – und zwar "alle Oldtimer und Newcomer" – zu überlegen, welche finanziellen Konsequenzen ihre Beschlüsse haben.

Ob er selbst bei der nächsten Bundespräsidentenwahl wieder antreten wolle? Er sei "schon ein bisschen stolz darauf, wie wir das hingekriegt haben", resümierte VdB angesichts der ausgestandenen Regierungskrise zwischen 17. Mai und 3. Juni – schmetterte aber jede definitive Zu- oder Absage ab. Denn er habe nicht einmal die Hälfte seiner Amtszeit hinter sich – "und Sie plagen mich jetzt schon damit!" (Nina Weißensteiner, 9.7.2019)