Foto: Sulzbacher

Besucher der Homepage "Unwiderstehlich" merken rasch, dass es sich um das Zentralorgan der österreichischen Neonaziszene handelt. Sie werden zuerst von einem Ladebalken begrüßt, der bei 88 Prozent eine kurze Pause einlegt. Kein Zufall, wird diese Zahl doch als getarnter Hitlergruß verwendet. Der achte Buchstabe des Alphabets ist das H; die 88 steht für HH, die Abkürzung von "Heil Hitler". Sonst bietet die Website Nachrichten über die sogenannte Ausländerkriminalität, offenen Antisemitismus und Unterstützung von Holocaust-Leugnern. In sogenannten "Grundsatzartikeln" geben sich die Betreiber als orthodoxe Nationalsozialisten zu erkennen, deren Leitbild das 25-Punkte-Programm der NSDAP ist.

Zwar treten die Betreiber der Homepage nicht offen auf, wirft man aber einen Blick auf deren Facebook-Einträge, findet man dort Namen aus dem Umfeld von Gottfried Küssel, der langjährigen Führungsfigur des österreichischen Neonazismus. Darunter jenen des seit Jahrzehnten im rechten Milieu tätigen Franz R. und den jenes Security-Mitarbeiters, der im BVT-Untersuchungsausschuss eingesetzt worden ist. Neben dem Aktionismus im Netz tritt die Gruppe bei Demonstrationen anderer rechter Gruppierungen oder bei Szene-Events in Deutschland in Erscheinung. "Unwiderstehlich"-Aufkleber finden sich immer wieder in Wien, etwa nachdem bei einem linken Kulturprojekt, dem "W23", 2016 ein Sachschaden in Höhe von einigen tausend Euro angerichtet wurde. Die Gruppe hat einen harten Kern von zwei Dutzend Personen, auf Facebook versammelten sich über 1.000 Fans.

Hass auf jüdische FPÖ-Funktionäre

Bis auf ein Interview mit dem deutschen Blatt "NS Heute" meldete sich Küssel in den vergangenen Monaten nicht einschlägig zu Wort. Das Gespräch sorgte jedoch für Aufsehen, da er darin auch über den (mittlerweile) ehemaligen FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache plauderte. Küssel deutet in dem Interview an, belastende Informationen über Strache zu haben. Kennengelernt habe er Strache, als dieser "etwa 14 war". In den 1980er-Jahren habe der Ex-Vizekanzler "für unsere damalige 'Ausländer-Halt-Bewegung' an Wahlkampfaktionen teilgenommen". Strache habe "nie unsere Blutgruppe gehabt, aber im stillen Kämmerlein hat er den großen Nationalsozialisten gespielt. Da gab es einige lustige Auftritte, über die will ich jetzt aber nicht reden, vielleicht brauchen wir das noch mal."

Die Neonazis von "Unwiderstehlich" hegen zwar Sympathien für die FPÖ – so heißt es etwa in einem Beitrag, "viele von uns waren oder sind Parteimitglieder" –, trotzdem werden die Freiheitlichen auch scharf kritisiert. Mal weil sie als Regierungspartei angeblich zu zimperlich gegen Migranten vorgingen, mal weil sich in ihren Reihen auch einige wenige Funktionäre und Funktionärinnen mit jüdischem Background finden. Auch Reisen der Parteispitze nach Israel werden zynisch kommentiert: "Es ist der gefühlt 6. Millionste Versuch der Kippa-Boys innerhalb der FPÖ, mit der Filiale des Weltjudentums im Nahen Osten in Kontakt zu treten", schreibt die Seite in Anspielung auf die sechs Millionen im Holocaust ermordeten Juden.

Auf Kriegsfuß mit den Identitären

Richtiggehend auf Kriegsfuß steht "Unwiderstehlich" mit den Identitären. Diese rechtsextreme Gruppierung wird als Verräter an der Sache gesehen, da sie ohne Hakenkreuz und Deutschnationalismus auftritt. Dazu kommen persönliche Animositäten. Die Identitären traten 2012 in Österreich in Erscheinung, nachdem polizeiliche Ermittlungen die Neonaziszene rund um Küssel gebeutelt hatten. Dieser Ermittlungsdruck stand "an ihrer Wiege, und einige aus dieser Gruppe oder ihrem engsten Umfeld schalteten danach einen Gang zurück", sagt Andreas Peham, Rechtsextremismusexperte des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). Die Küssel-Leute hatten mit ihrer Hasswebsite "Alpen-Donau.Info", kurz "Adi", den Bogen überspannt. Anfang 2013 mussten einige der Strippenzieher eine Haftstrafe antreten.

Martin Sellner hatte sich aus diesem Umfeld schon zuvor verabschiedet, nachdem er über einige Jahre mit Küssel auf dem Weg gewesen war. Ein Abschied, dem ihm die Szene nicht verzeiht. So wird ihm auf "Unwiderstehlich" vorgeworfen, Chef einer "Bettlermafia" zu sein. Eine Anspielung auf die Spendensammeltätigkeit des Identitären-Chefs, der seinen Lebensunterhalt auch durch Spenden bestreitet. Um seine Gruppierung ist es in den vergangenen Monaten allerdings ruhiger geworden, nachdem Sellner und andere Aktivisten Ziel behördlicher Ermittlungen geworden waren.

So wurde die Wohnung von Sellner bereits zweimal durchsucht, nachdem bekannt geworden war, dass der aus Australien stammende Rechtsterrorist Brenton T., der im März im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen in einer Moschee ermordet hatte und zuvor durch Österreich gereist war, ihm mindestens 1.500 Euro gespendet hatte. Er hatte dabei eine Waffe benutzt, auf die er das Datum "1683" gemalt hatte – das Jahr, in dem die türkische Armee vor den Toren Wiens besiegt wurde. Die Identitären haben vor wenigen Tagen angekündigt, im kommenden September dieser Schlacht zu gedenken, und mobilisieren bereits für eine Demonstration.

Gemeinsam mit Identitären tauchten in den vergangenen Jahren Neonazis aus Vorarlberg bei Demonstrationen auf, darunter auch Mitglieder der militanten Blood-&-Honour-Gruppierung. Das westliche Bundesland gilt als deren Hochburg, es finden immer wieder einschlägige Konzerte und Schießübungen statt. Vorarlberger Blood-&-Honour-Neonazis sind auch in das europaweit agierende Combat-18-Netzwerk eingebunden. Dieses gilt als militärischer Arm von Blood & Honour, der durch Anschläge und Verstrickungen in die organisierte Kriminalität regelmäßig für Schlagzeilen sorgt. (Markus Sulzbacher, Fabian Schmid, 10.7.2019)