Ein 64-jähriger Arzt wurde am Mittwoch durch einen Patienten schwer verletzt.

Foto: APA/Fohringer

Wien – Ein Patient hat am Mittwochvormittag einen Arzt in der Herzambulanz des Wiener Sozialmedizinischen Zentrums Süd (SMZ) – das frühere Kaiser-Franz-Josef-Spital – niedergestochen. Der 33-jährige Mann, der in der voll besetzten Ambulanz auf den 64-jährigen Oberarzt gewartet hatte, rammte diesem ein Messer in den Bauch, wodurch der Mediziner zunächst lebensgefährliche Verletzungen erlitt.

Die Bluttat wurde gegen 10 Uhr verübt. Als der 64-Jährige erschien, zog der Täter das Messer und griff an. "Der Arzt wurde lebensgefährlich verletzt, durch eine Notoperation konnte er stabilisiert werden", teilte Polizeisprecher Paul Eidenberger der APA mit. Die Lebensgefahr sei inzwischen gebannt.

Festnahme am Tatort

Der 33-Jährige wurde nach der Bluttat am Tatort festgenommen. "Er hat sich hingesetzt und auf die Polizei gewartet", berichtete Eidenberger. Der Messerangriff auf den Mediziner spielte sich vor zahlreichen geschockten Augenzeugen im Wartebereich der Herzambulanz ab, die zum Tatzeitpunkt stark frequentiert war.

Der niedergestochene Arzt hatte den Tatverdächtigen in der Vergangenheit behandelt. Am Mittwoch hatte der Mann allerdings keinen Untersuchungs- oder Behandlungstermin auf der Herzambulanz. Er erschien, "ohne dass etwas ausgemacht war", meinte Marion Wallner vom Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) gegenüber der APA.

Beim Opfer des Messerangriffs handelt es sich um einen Oberarzt für Kardiologie. Der Mediziner soll sich kurz vor seiner Pensionierung befinden. Im SMZ Süd und beim KAV zeigte man sich bestürzt und betroffen. "Ich bin schockiert über den Angriff auf unseren Kollegen", meinte die Ärztliche Direktorin des Spitals, Michaela Riegler-Keil.

Angebot von Kriseninterventionsteams

Der Angreifer war im Juni auf der Kardiologischen Abteilung des SMZ Süd behandelt worden, gab der KAV bekannt. Der 33- Jährige wurde dabei auch einem operativen Eingriff unterzogen. Ob und inwieweit das nunmehrige Opfer der Messerattacke in die Operation einbezogen war, war vorerst noch unklar.

Den Patienten und Mitarbeitern standen vor Ort Kriseninterventions-Teams zur Seite. "Diese schreckliche Tat zeigt auf traurige Weise, dass selbst gegen diejenigen Gewalt ausgeübt wird, die sich um das Wohl anderer kümmern. Wir werden den Vorfall gemeinsam mit der Polizei lückenlos aufklären und analysieren, ob und wie wir solche Vorfälle künftig vermeiden können", sicherte KAV-Generaldirektorin Evelyn Kölldorfer-Leitgeb zu.

Ärztekammer fordert 300 Spitalsärzte mehr

Die Wiener Ärztekammer spricht von einem "außerordentlichen Einzelfall" und einen "gezielten Gewaltakt" gegen den betroffenen Arzt. Grundsätzlich ist aber die Gewalt in Spitälern, der Ärzte und Pflegepersonal ausgesetzt sind, weiter im Steigen begriffen, gab die Ärztekammer am Mittwoch zu bedenken. Sie forderte aufgrund dessen 300 zusätzliche Spitalsärzte.

Wolfgang Weismüller, Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien, appellierte an den Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), nun "raschest" zu reagieren. "Es ist absolut essenziell, dass die Sicherheit von Ärztinnen und Ärzten sowie Patienten gleichermaßen sichergestellt wird", betonte Weismüller in einer Presseaussendung.

Wie Alexandros Stavrou, Sprecher der Wiener Ärztekammer, im Gespräch mit der APA erklärte, liegen der Ärztekammer zahlreiche Berichte über Gewalttätigkeiten in Spitälern, Ambulanzen oder Arztpraxen vor. Zu diesem Thema läuft derzeit auch eine Umfrage unter der Ärzteschaft. Die Ergebnisse und ein Forderungspaket will die Ärztekammer spätestens im August präsentieren. Die Kombination aus einem Mehr an Patienten und immer weniger Ärzten stelle jedenfalls ein beträchtliches Konfliktpotenzial dar, meinte Stavrou. Die damit einhergehenden längeren Wartezeiten würden zu Aggressionen führen, die mitunter "in Schlägereien, Reibereien" münden.

Um die langen Wartezeiten in den Ambulanzen abzukürzen, forderte Ärztekammer-Vize Weismüller 300 zusätzliche Spitalsfachärzte. Nur damit wäre die Situation zu entschärfen und mehr Zeit für die Behandlung der Patienten möglich. Außerdem regte Weismüller eine Strafverschärfung in Fällen von Gewalt gegen Ärzte und Pflegepersonal an. Diese sollten in dieser Hinsicht Polizeibeamten gleichgestellt werden: "Aus Sicht der Standesvertretung sollte strafgesetzlich eine Gewalthandlung gegen einen Arzt jedenfalls immer eine schwere Körperverletzung sein."

SPÖ erschüttert, FPÖ kritisiert

Unterdessen zeigte sich der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) von der Gewalttat im Wiener SMZ Süd erschüttert. "Das Allerwichtigste ist, dass die Operation des verletzten Arztes gut verlaufen ist und die Genesung rasch und vollständig erfolgt", bekräftigte Hacker in einer Aussendung. Er danke den Mitarbeitern des Krankenhauses, "die dem Opfer der Attacke rasch Hilfe leisteten und sofort lebensrettende Maßnahmen setzten", so Hacker.

Kritik am KAV kam von der Wiener ÖVP und der Wiener FPÖ. Der geschäftsführende Wiener FPÖ-Landesparteiobmann und Vizebürgermeister Dominik Nepp sowie ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec bemängelten das Fehlen eines Sicherheitskonzepts beim KAV, das der Wiener Stadtrechnungshof bereits 2015 empfohlen habe. "Auf dieses warten wir bis heute vergeblich", meinte Korosec in einer Presseaussendung. Ärzte und Pfleger würden seit längerem über untragbare Zustände in Wiens Krankenhäusern klagen. Gesundheitsstadtrat Hacker habe die Beobachtungen von Ärzte- und Pflegepersonal bisher zu wenig ernst genommen und "die Problematik heruntergespielt", erklärte Korosec weiter.

Nepp verwies in einer Aussendung auf "über 200 dokumentierte Übergriffe alleine im Wilhelminenspital seit 2017". Passiert sei "natürlich nichts", Stadtrat Hacker habe das Gewaltproblem in Spitälern "auf die lange Bank geschoben". Nepp bekräftigte in diesem Zusammenhang die Forderungen der FPÖ nach Videoüberwachung, Aufstockung von Security-Personal und Schulungen für Spitals-Mitarbeiter in Wiener Spitälern. (APA, 10.7.2019)