Eine Taiwan-Schönnatter in den Fängen von Hans Esterbauer.

Privat

Linz – Das kleine Arbeitszimmer in der Steyrer Wohnung beschreibt wohl am besten das bewegte Leben von Hans Esterbauer: die Plakate zu seinen Vorträgen in Syrien, die zahlreichen militärischen Verdienstorden in dem Glaskasten, das Schreiben in Sachen Ernennung zum Konsulent für Volksbildung, der Eintrag im amerikanischen "Who's who", ein Goldenes Verdienstzeichen des Landes, ein silbernes Ehrenzeichen der Republik Österreich. Und natürlich Unmengen an zoologischer Fachliteratur.

Abwehrreaktion

An diesem Dienstagvormittag gilt seine ganze Aufmerksamkeit zunächst aber der Arbeitskleidung vom Vortag: "Dreimal gewaschen, aber den Geruch bringst nicht weg." Tatsächlich verströmt das Hemd einen üblen Gestank. Irgendwo zwischen Aas und Knoblauch pendelt sich der Geruchssinn ein. "Natrix natrix", geht Hans Esterbauer ins Detail. Für Nichtzoologen: Eine Ringelnatter hatte ihre Postanaldrüse auf dem Esterbauer'schen Hemdsärmel entleert. Das gehört bei dem 77-Jährigen zum Berufsrisiko.

Der pensionierte Berufssoldat ist hochoffizieller Blauchlicht-Reptilienexperte. Kreucht und fleucht etwas am Einsatzort, so findet sich im Alarmplan der Sicherheitsbehörden die Handynummer von Hans Esterbauer. Begegnet ist dem gelernten Maschinenbauer dabei quasi schon der halbe Amazonas: "Ausgesetzte Kaimane, ein fünf Meter langer Felsenpython in einer Messie-Wohnung, Skorpione, eine Madagaskar-Boa, ein illegales Tiergeschäft im Mühlviertel mit unzähligen hochgiftigen Skorpionen." Angst verspürt der zoologische Autodidakt bei seinen Einsätzen nicht: "Ich bin nicht nervös, aber stets vorsichtig." Gebissen wurde Esterbauer noch nicht, zumindest nicht von einer Giftschlange. "Aber vor kurzem hat mich eine 2,20 Meter lange Äskulapnatter erwischt. Die sind aggressiv und beißen schnell zu – und ich war einen kurzen Moment unkonzentriert. Da blutest du dann schon ganz ordentlich."

Polizei-Python

Manch andere Einsätze sorgen hingegen Jahre später noch für Erheiterung: "Einmal hat mich die Polizei angerufen und gemeint, sie hätten in der Au irgendeine Schlange gefunden. Beschreibung bekam ich keine. Also dachte ich an eine heimische Schlange, habe meinen Fanghaken und einen kleinen Sack eingepackt und bin los. De facto war es aber ein drei Meter langer Python." Der Sack war damit zu klein, und Esterbauer setzte sich mit der Schlange in der Hand ins Polizeiauto und ließ sich zum Tierheim bringen. "Die Beamten waren leicht nervös."

Keine Spatenexekution

Gerufen wird der Schlangenbeschwörer entsprechend oft auch von Privatpersonen: "Gerade heuer durch den warmen Sommer gibt es extrem viele Schlangen." Panische Gartenbesitzer versucht Esterbauer zunächst schon am Telefon zu besänftigen: "Ruhig bleiben, das Tier beobachten und ganz wichtig: nicht gleich mit dem Spaten zerlegen."

Mehrmals täglich ist der Bergeprofi derzeit im Einsatz. Aktuell etwa bei einer Familie aus St. Ulrich, bei der Esterbauer seit Mitte April bislang 18 Schlangen von der Hausterrasse holte. Aus gewildert werden die Tiere "weitab von menschlichen Ansiedlungen". Exoten bringt Esterbauer in spezielle Auffangstationen: "Ich fahr' immer zum Austrian Crocodile Dundee: Peter Riener in Ternberg."

Immer seltener treffe er heute bei seinen Einsätzen aber auf echte Exoten: "Die behördlichen Auflagen sind deutlich strenger geworden, und die Haltung wird dadurch weniger attraktiv." Überhaupt hält der Experte nichts von Gifttieren in Privatwohnungen: "Diese Tiere haben dort nichts verloren." Nachsatz: "Aber es gibt halt leider schwarze Schafe. Meist halten genau die Leute Giftschlangen, die auch einen Pitbull daheim haben."

Mit einem "Pling" endet das Gespräch abrupt. Per E-Mail kommt ein Hilferuf mit Foto: "Zamenis longissimus. Ein Prachtweibchen." Noch weiß die Äskulapnatter auf dem Mühlviertler Dachboden nicht, dass der Schlangenfänger bereits auf dem Weg ist. (Markus Rohrhofer, 11.7.2019)