Auf den ersten Blick sieht es wie ein herkömmliches Instagram-Foto aus. Eine Influencerin räkelt sich in Badebekleidung vor dem türkisstrahlenden Gewässer. Es könnte eine Szene aus dem Paradies sein. Ein Traum, der laut "NY Times" nur einen Haken hat: Im Hintergrund ist kein Meer zu sehen, sondern ein Abwassertümpel nahe der russischen Stadt Nowosibirsk, in den ein Kohlekraftwerk seine chemischen Abfälle entsorgte.

Gesundheitswarnung

"Wir ersuchen Leute daher dringendst, bei der Jagd nach Selfies nicht ins Wasser zu fallen", warnt der Kraftwerksbetreiber, die Siberian Generating Company, auf dem russischen Social-Media-Ableger VK. Das Wasser sei zwar nicht giftig und das Strahlungsniveau im normalen Bereich. Hautkontakt könnte aber allergische Reaktionen auslösen, weil das Wasser aufgrund von Calciumsalzen und Metalloxiden einen hohen Alkali-Wert habe. Zudem sei es "fast unmöglich", dem schlammigen Untergrund zu entkommen. Der Betreiber bedauert, dass Nowosibirsk TEZ-5, so der Name des Kohlekraftwerks, in der ersten Jahreshälfte ungewollt zum Star der sozialen Netzwerke geworden sei.

Gesundheitswarnung ignoriert

In letzter Zeit tauchten nämlich mehr und mehr Instagram-Fotos auf, bei denen Influencer die vermeintlich romantische Umgebung für Schnappschüsse genutzt haben. Sei es in Yoga-Posen oder mit ausgestreckter Zunge. Eine eigene Instagram-Seite (maldives_nsk) dokumentiert die Ausflüge der Abenteurer. Warnungen haben sie munter ignoriert.

So badet ein Mann auf einer Einhorn-Schwimmhilfe im Tümpel und meint laut Gizmodo: "Es ist nicht gefährlich, hier zu schwimmen." Am nächsten Tag waren seine Beine "nur leicht gerötet und juckten zwei Tage". Eine Fotografin meint: "Die Gefahrenlage wird leicht übertrieben dargestellt. Natürlich sollte man nicht drinnen schwimmen, aber ein einstündiges Fotoshooting lässt einem noch keine dritte Hand wachsen."

Ein ähnliches Phänomen lässt sich in einem türkisfarbenen See im Nordwesten Spaniens beobachten: Dort sorgte die Nähe zu einer Mine, die in den 80ern verlassen wurde, für eine Kontaminierung. Eine weitere Influencerin soll, ähnlich wie bei dem russischen Tümpel, einen Hautausschlag erlitten haben und musste ins Krankenhaus. Das Bild "war es wert", kommentierte sie gegenüber "Publico", wie der "Independent" zitiert.

Der türkise See im Nordwesten Spaniens.

Das erste Mal, dass Influencer ausgefallene Orte auf der Jagd nach einem guten Foto in Social-Media-Hotspots verwandeln, ist das nicht. Mitte Mai wurde etwa bekannt, dass Selfie-Touristen aufgrund der gleichnamigen HBO-Serie Tschernobyl stürmen und in der nach der Atomkatastrophe verhängten Sperrzone Fotos hinterherjagen. (red, 18.7.2019)