In Frankreich liegt das Urteil über die Rede bei IT-Konzernen.

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Ob "Vollbimbo" oder "Muselratte" – beides übrigens echte Beispiele –, von Hass im Netz wird kaum jemand, der soziale Medien nutzt, verschont. Und doch scheint es für die Politik nach wie vor unmöglich zu sein, ein Gesetz zu entwerfen, das die Problematik aus der Welt schafft und trotzdem sicherstellt, dass Grundrechte gewahrt werden. Einen Versuch macht nun Frankreich mit einem Gesetz gegen Hasspostings. In seinen Grundzügen erinnert es an Deutschlands Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG): Plattformen müssen Hasspostings innerhalb von 24 Stunden nach einer Meldung von Nutzern entfernen, sonst drohen hohe Strafen. Außerdem befassen sich künftig eine eigene Staatsanwaltschaft und ein Gericht mit dem Thema. Firmen müssen mit ihnen kooperieren.

In Teilen ist das eine gute Idee: Gerade den Behörden fehlen oft die nötigen Ressourcen, um tatsächlich gegen Hass im Netz vorzugehen. Das zeigt sich übrigens auch in Österreich. Facebook veröffentlicht jährlich Daten zu Behördenanfragen. Im zweiten Halbjahr 2018 haben heimische Behörden demnach 194 Anfragen zu Nutzerinformationen an Facebook gestellt, bei 31 Prozent davon wurden auch Daten offengelegt. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im selben Zeitraum 8598 Anfragen gestellt und immerhin 57 Prozent befolgt. In Frankreich liegt die Quote bei 66 Prozent, in Großbritannien sogar bei 91.

Die Justiz mit Personal zu stärken, das sich auf den Umgang mit solchen Inhalten spezialisiert hat, ist also ein notwendiger Schritt, um eine tatsächliche Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen. Im Diskurs über die Thematik wird nämlich oft vergessen, dass Hassbeiträge schon jetzt gegen geltende Gesetze verstoßen – auch in Österreich.

Dennoch bleiben bei Frankreichs Regelung jene Probleme bestehen, die Experten und Netzaktivisten bereits am deutschen Gesetz kritisiert haben. So laufen die Plattformen in die Gefahr des Overblockings: Aus Angst vor hohen Strafen könnten sie dazu tendieren, eher zu viel als zu wenig zu sperren. Dazu kommt, dass die Verantwortung zu entscheiden, ob es sich um ein Hassposting handelt, in die Hände der Betreiber sozialer Medien gelegt wird. Damit urteilen plötzlich große, wirtschaftsgetriebene IT-Konzerne wie Google (mit Youtube) und Facebook über die freie Rede. Wenn das tatsächlich der gewünschte Weg ist, um in Zukunft das Internet zu regulieren, steht Europa vor einem demokratiepolitischen Dilemma. (Muzayen Al-Youssef, 11.7.2019)