Der Ex-Innenminister am Tag nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos.

Foto: Heribert Corn

Strache hat einige Zeit gebraucht, um in seinem Ibiza-Auftritt die kleine Chance zu wittern, zumindest in Kreisen seiner Partei als das Opfer einer Verschwörung mit Chance auf Märtyrerstatus anzukommen. An einer Bestätigung wird hektisch und wohl noch länger gearbeitet werden, Gattin Philippa springt ein. Bei Kickl geht's schneller. An seiner Flüchtlingspolitik lag es nicht, dass er im Gefolge der Doppelconférence von Ibiza das Innenministerium verlassen musste, und schlimmer – dass er nicht wieder dorthin zurückkehren soll. Jetzt versteht er die Welt nicht mehr. Was habe ich eigentlich mit Ibiza zu tun?, schlüpft er in das Märtyrergewand, dreifaches Opfer erst seines verschwitzten Parteiobmanns, dann eines undankbaren Bundeskanzlers und schließlich eines Bundespräsidenten, der ihn als Innenminister nur noch als unwahrscheinlichen Fall bei sicherer Ablehnung einstuft.

Ohne den von Strache und Gudenus auf Ibiza gebotenen Anlass wäre Kickl heute noch Innenminister, was seine Verbannung von jedem Verdacht befreit, bei ihr handle es sich um eine prinzipielle Auseinandersetzung mit seiner Gesinnung und der daraus entspringenden Politik. Dass der damalige Bundeskanzler Kurz den sieben Misstrauensanträgen der Opposition gegen Kickl endlich beigetreten ist, reduziert diesen zu einem Kollateralschaden an der türkis-blauen Koalition, die mit einem anderen Innenminister, sicherheitshalber mit einem aus der Volkspartei, im selben asylpolitischen Stil weitergeführt werden kann.

Musste Kurz 2017, um die rot-blaue Koalition zu zerstören, die Krot schlucken, den Blauen das Innenressort überlassen und es auch noch mit Kickl zu besetzen, nahm er die erste Möglichkeit wahr, diesen Fehler unter dem Vorwand von Ibiza zu korrigieren. Nach allem, was man vom geistigen Wirken des Generalsekretärs der FPÖ wusste, hätte der schon damals nicht bloß als unwahrscheinlicher Fall eines möglichen, sondern als unmöglicher Fall eines anzugelobenden Innenministers gelten müssen. Verständlich, dass er heute tut, was freiheitliche Märtyrer üblicherweise tun: sich auf ihren Rückhalt bei den Gläubigen berufen.

Der Bundespräsident will sich künftig ihm nahegelegte Kandidaten genauer ansehen. In den Fällen Vilimsky und Gudenus hat er das schon früher getan, bei Kickl ist das offenbar nicht der Fall gewesen oder nicht gelungen, weswegen jetzt nachgebessert wurde. Ob nach der Wahl etwas Besseres nachkommt, wird man sehen. So großartig waren die Erfahrungen mit den letzten Innenministern aus den Reihen der – alten – Volkspartei schließlich auch nicht.

Nüchtern betrachtet bleibt: Kurz hat Kickl als Innenminister vorgeschlagen, Van der Bellen hat ihn angelobt, und Strache hat ihn um seinen Posten gebracht. Es ist daher unbestritten, wem das größte Verdienst zukommt, dass wir in diesen Monaten von einer soliden Beamtenregierung verwaltet werden. Und hätte Strache auf Ibiza nicht so unvoreingenommen das Thema Parteienfinanzierung zur Sprache gebracht, wir hätten noch heute keine Sicherheit, dass dabei alles mit rechten Dingen zugeht, ohne dass man dazu den Rechnungshof anfordern müsste. Wer dankt es ihm? (Günter Traxler, 11.7.2019)