Paris während der jüngsten Hitzewelle Ende Juni: Laut neuen Prognosen werden dort im Jahr 2050 Temperaturen herrschen, wie sie heute in der australischen Hauptstadt Canberra üblich sind.
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Die nächsten Tage werden in unseren Breiten eher kühl ausfallen. Mittel- und längerfristig geht die globale Erderwärmung natürlich unaufhaltsam weiter. Im günstigsten Szenario des Weltklimarats IPCC, das eine Einhaltung der Vereinbarungen des ambitionierten Pariser Klimaabkommens vorsieht, steigt die Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2050 im Vergleich zur Zeit vor der industriellen Revolution nur um 1,4 Grad Celsius.

Das klingt harmlos, ist es aber zumindest für zahllose Millionenstädte rund um den Globus ganz und gar nicht, wie Forscher um Tom Crowther (ETH Zürich) im Fachblatt "PLOS One" zeigen. Crowther und sein Team, das erst vorige Woche mit Modellrechnungen zu den Effekten einer globalen Wiederaufforstung international Schlagzeilen machte, rechneten für 520 Hauptstädte und Metropolen durch, wie sich ihr jeweiliges Klima in 31 Jahren verändert haben wird.

Und diese Prognosen sind einigermaßen dramatisch – nicht zuletzt für Europa und andere Regionen der Nordhalbkugel.

London wird wie Barcelona

Auf den Punkt gebracht kommen die Forscher zum Schluss, dass die klimatischen Bedingungen in europäischen Großstädten im Jahr 2050 in etwa die gleichen sein werden, die heute in Metropolen tausend Kilometer weiter südlich herrschen. Für London etwa seien demnach Verhältnisse wie heute in Barcelona zu erwarten; für Madrid jene, die zurzeit in Marrakesch herrschen. Das Klima von Wien werde im Jahr 2050 ähnlich jenem sein, das heute die nordmazedonische Hauptstadt Skopje aufweist, während in Stockholm 2050 heutige Wiener Verhältnisse zu erwarten sind.

Temperaturveränderungen in ausgewählte europäischen Städten bis 2050.

In Wien wird der Anstieg wie in anderen mittel- und südosteuropäischen Städten bei der Sommerhöchsttemperatur besonders stark ausfallen: Die Forscher prognostizieren für die österreichische Hauptstadt sommerliche Maximaltemperaturen, die um bis zu 7,6 Grad höher liegen als 1850. Spitzenreiter in dieser Liste aller 520 Städte ist die slowenische Hauptstadt Ljubljana mit plus 8 Grad.

In Wien wird es laut den Prognosen im Vergleich zur vorindustriellen Zeit besonders starke Zunahmen bei den Maximaltemperaturen geben. Immerhin ist hier die Wasserversorgung gesichert.
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Im globalen Maßstab werden laut der Untersuchung rund um Erstautor Jean-François Bastin 77 Prozent der 520 der untersuchten Metropolen mit einem mehr oder weniger dramatischen Anstieg der Temperaturen zu rechnen haben.

22 Prozent der Großstädte werden "beispiellose" Klimaveränderungen erleben. 2050 werde in diesen Millionenstädten ein Klima herrschen, das es heute noch nirgendwo gibt. Der Großteil dieser Metropolen befindet sich in tropischen Regionen wie etwa Kuala Lumpur in Malaysia, das indonesische Jakarta oder der Stadtstaat Singapur.

Befürchtete Wasserknappheit

Die Forscher befürchten, dass sich in diesen Städten entweder die schon jetzt herrschende Trockenheit weiter verstärkt und es zu Wasserknappheiten kommen wird. Für andere Metropolen seien sehr viel häufigere Überschwemmungen zu befürchten.

Die jeweiligen Prognosen für die einzelnen Städte können im Netz auf einer interaktiven Karte abgerufen werden, die Crowthers Arbeitsgruppe erstellt hat. Der Professor an der ETH Zürich, der mit solchen Studien und Visualisierungen die künftigen Folgen des Klimawandels besser begreifbar machen will, war laut eigener Aussage selbst von der Dramatik der Ergebnisse überrascht.

"Wir sind darauf überhaupt nicht vorbereitet", so Tom Crowther, der fordert, dass die Planungen für den Klimawandel "am besten schon gestern" hätten beginnen sollen: "Je früher wir jetzt damit anfangen, desto geringer werden die Auswirkungen in Zukunft sein." (tasch, 11.7.2019)