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Selbst beim Pokern hat der Mensch gegenüber Computerprogrammen mittlerweile keine Chance mehr.

Foto: REUTERS/Toru Hanai

Pittsburgh – Zum ersten Mal hat ein Computerprogramm bei Pokerpartien mit mehr als zwei Spielern öfter gewonnen als ihre menschlichen Gegner. Die Software "Pluribus", programmiert von den Forschern Noam Brown und Tuomas Sandholm, setzte sich bei über 10.000 gespielten Händen in der Pokervariante "No Limit Texas Hold 'em" mit insgesamt sechs Spielern häufiger durch als echte Poker-Cracks.

Die Wissenschafter von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, die ihrem System, zumindest was dessen Pokertalent betrifft, "übermenschliche Fähigkeiten attestiert, veröffentlichten die Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift "Science". Sie bezeichneten ihren Erfolg als "Meilenstein" in der Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI).

Mit mehr als zwei Spielern wird es schwieriger

Bisherige Programme hatten sich auf das Besiegen eines einzelnen Gegners beim Pokern beschränkt – darunter die Software "Libratus" von Brown und Sandholm sowie das Programm "Deep Stack" eines Entwicklerteams von der University of Alberta in Edmonton (Kanada). Nach Angaben der Forscher stellen Spiele mit mehr als zwei Teilnehmern jedoch höhere Anforderungen an den Computer. Brown und Sandholm entwickelten deshalb die Software mit dem Namen "Pluribus", die die Komplexität der Spielsituation reduzieren soll.

"Die Arbeit ist solide und die Leistungen sind technisch sehr beeindruckend – vor allem, was die Rechenleistung und die Rechenzeit betrifft", sagte Andreas Holzinger vom Institut für Medizinische Informatik/Statistik an der Medizinischen Universität Graz über die Studie. "Aber es bringt wieder die Frage auf, ob "Künstliche Intelligenz" tatsächlich mit menschlicher Intelligenz überhaupt vergleichbar ist oder sein kann. Menschliche Intelligenz hat vielfältige Qualitäten – eben nicht nur in einer eng begrenzten Aufgabenstellung."

Vermeintliche "Übermenschlichkeit"

Marcus Liwicki, Leiter der Mind Garage an der Technischen Universität Kaiserslautern ist zwar ebenso beeindruckt von dieser Leistung, den Begriff "übermenschlich" würde er aber nicht unbedingt verwenden: "Technisch ist 'Pluribus' eine sehr gute Ingenieursleistung, da viele verschiedene Komponenten sehr gut kombiniert wurden. Auch die Methode des Experiments und der Evaluation ist fair: Die menschlichen Spieler als auch das Programm bekamen die gleichen Informationen; außerdem wurden genügend Spiele gespielt, um signifikante Ergebnisse zu erzielen. Es steht jedoch aus, das Experiment mit anderen Spielergruppen von einem unabhängigen Evaluationsteam zu bestätigen, um jeglichen Bias auszuschließen."

"Generell wird der Begriff 'übermenschlich' derzeit inflationär verwendet, vor allem bei Artikeln von Firmen oder marketingorientierten Forschungsinstituten, die solche Artikel auch zum Branding verwenden möchten. In der wissenschaftlichen Praxis sollte man als Leser aufpassen, von solchen Begriffen nicht geblendet zu werden – und als Autor sollte man deren Verwendung lieber vermeiden", so Liwicki. "Viele Maschinen in unserer Umgebung sind übermenschlich: Der Taschenrechner rechnet besser, das Auto fährt schneller, das Flugzeug kann fliegen… und in manchen Spielen ist die KI besser. Interessant wird es, wenn die KI tatsächlich in bisher unbekannten und uneingeschränkten Situationen schneller lernt, rational bessere Entscheidungen zu fällen." (red, APA, 12.7.2019)