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Rahaf al-Kunun flüchtete im Jänner aus Saudi-Arabien. Künftig sollen Frauen auch ohne Erlaubnis männlicher Verwandter ausreisen dürfen.

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Riad –Saudi-Arabien arbeitet laut Medienberichten an einer Lockerung seines Vormundschaftssystems für Frauen. Wie das "Wall Street Journal" berichtet, ist geplant, dass Frauen und Männer über 18 Jahren künftig ohne Zustimmung eines männlichen Vormunds aus dem Land ausreisen dürfen. Bisher brauchen Frauen in jedem Alter und Männer unter 21 Jahren eine solche Erlaubnis.

Das Gesetz hatte zuletzt wieder mehrfach Aufsehen erregt, nachdem Frauen im Ausland um Asyl angesucht und mit den drakonischen Gesetzen argumentiert hatten, die ihre Menschenrechte einschränken. Für besondere Aufmerksamkeit hatte im Jänner die 19-jährige Rahaf al-Kunun gesorgt, die auf dem Flughafen Bangkok trotz Asylgesuchs fast von saudischen Beamten zur Rückreise gezwungen worden wäre. Sie kam schließlich in Kanada unter.

Weitere Vormundschaftsregeln bleiben in Kraft

In Saudi-Arabien bleiben Frauen unmündig, egal wie alt sie sind. Von ihrem Vater geht die Vormundschaft bei Verheiratung an ihren Mann über, wenn beides nicht (mehr) vorhanden ist, auf einen anderen männlichen Verwandten. Das kann bei einer Witwe auch der Sohn sein, der dann bestimmt, ob seine Mutter reisen darf oder nicht.

Auch wenn nun die Regelung zur Reise fallen sollten, bleiben weitere offenbar in Kraft: So wird auch künftig die Zustimmung eines männlichen Vormunds nötig sein, damit Frauen heiraten, eine Gefängnishaft beenden oder Frauenhäuser verlassen dürfen, in die sie eigentlich zum Schutz vor Gewalt männlicher Verwandter geflüchtet sind.

Autoritäre "Modernisierung"

Eine offizielle Bestätigung für den Plan gibt es bisher nicht. Das "Wall Street Journal" beruft sich auf "Beamte und Personen, die mit den Vorgängen vertraut sind". Namentliche Quellen nennt es nicht. Zudem wird eingeschränkt, dass die endgültige Entscheidung noch nicht gefallen sei. Sie würde aber zum bisherigen Vorgehen des mächtigen 33-jährigen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MbS) passen.

Der Thronfolger hat dem Land einen Kurs verordnet, den er selbst als Weg zur Modernisierung sieht. Dazu gehörten im vergangenen Jahr bereits einige regulative Schritte zugunsten der Frauen: kleine Erleichterungen, die Scheidung einzureichen, oder die Möglichkeit, ohne Klage das Sorgerecht für die Kinder zu beantragen. Die meisten Schlagzeilen machte allerdings das vor einem Jahr zu Fall gebrachte Autofahrverbot.

Langsame Prozesse, hohe Strafen

Nicht zur Agenda des Kronprinzen gehört allerdings eine politische Liberalisierung. Viele Aktivistinnen, die für Frauenrechte gekämpft haben, sitzen im Gefängnis, obwohl Teile ihrer Forderungen mittlerweile erfüllt worden sind. Gegen elf Angeklagte hat im März ein Prozess begonnen. Ihnen wird unter anderem eine Gefährdung der Sicherheit und Stabilität des Landes vorgeworfen, was nach saudischen Gesetzen in hohen Strafen enden kann. Den Vorwürfen nach steht teils auch die Todesstrafe im Raum. Die Prozesse, die für große internationale Aufmerksamkeit sorgten, verlaufen allerdings schleppend. Sie wurden mehrfach vertagt.

Für MbS, der auch wegen des grausamen Vorgehens seiner Sicherheitskräfte im Fall des getöteten Journalisten Jamal Khashoggi in der Kritik steht, ist die Liberalisierung ein Drahtseilakt. Er begründet sie mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Zugleich steht er dabei einer weiter sehr konservativen Bevölkerungsschicht und dem mächtigen Klerus gegenüber, die sich gegen die Pläne wehren. (maa, mesc, 12.7.2019)