Friederike Priebe ist Bekleidungstechnikerin am Forschungs institut EPEA GmbH – Part of Drees and Sommer.

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Polyester in Verbindung mit Elasthan oder Polyamid, das sind die klassischen Bestandteile der Bademodenstoffe. Das hört sich weder besonders ökologisch noch hautfreundlich an. Kann man diese hochfunktionalen Stoffe auch umweltfreundlich produzieren? Ja, sagen zahlreiche Modelabels und preisen ihre nachhaltigen Modelle aus alten Fischernetzen oder anderem Plastikmüll an. Was dahinter steckt, erklärt die Textiltechnikerin Friederike Priebe.

STANDARD: Ein Bikini aus Plastikmüll – das klingt erst einmal sehr nachhaltig. Wie ökologisch und klimaschonend sind diese Produkte?

Priebe: Das ist ein starkes Bild: Ich kaufe ein Produkt, konsumiere und helfe damit, den Ozean zu säubern. Ich weiß aber als Konsumentin oft nicht, ob das Produkt etwa nach Asien geflogen wurde, um dort recycelt zu werden. Grundsätzlich muss eine Lösung für die Säuberung der Ozeane gefunden werden, das sollte aber nicht zum reinen Marketing verkommen.

STANDARD: Sind die Kleidungsstücke aus Meeresplastik nun nachhaltig und "gut" oder reiner Marketinggag?

Priebe: Die Plastikabfälle, die im Meer schwimmen, funktionieren wie ein Schwamm und saugen sich auch mit allerlei Schadstoffen voll. Wenn ich diese Stoffe herausfische, sind sie wie eine Blackbox, ich weiß gar nicht, was da alles drin ist. Was folgt, sind aufwendige Sortier-, Reinigungs- und Recyclingprozesse, damit ich eine hochwertige Faser bekomme. Das alles hat das eigentliche Problem nicht gelöst: Wenn daraus ein neues Produkt hergestellt wird, landet es mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder im Ozean.

Die meisten Produzenten, die mit "Mode aus Meeresplastik" werben, setzen auf Econyl-Garn. Dabei handelt es sich um eine Nylonfaser, die aus Abfällen, die bei der Textilproduktion anfallen, entsteht. Es werden aber auch alte, aus dem Meer geholte Fischernetze, Industrieabfälle aus Plastik oder Stoffreste gereinigt und zu Nylon verarbeitet. Die so gewonnene Nylonfaser wird etwa zu Bade modenstoffen oder anderen Funktionstextilien gewoben. Prominente Beispiele dafür sind die Bademodenkollektion "Parley" des Sportherstellers Adidas oder das Wiener Bademodenlabel "Margaret and Hermione".
Foto: Lukas Friesenbichler

STANDARD: Wie seriös ist es überhaupt, damit zu werben, dass Kleidungsstücke aus PET-Flaschen hergestellt werden?

Priebe: Meistens ist es so, dass andere Materialen dazugemischt werden. Zum einen, um die recycelten Materialien überhaupt wiederverarbeiten zu können, zum anderen werden Knöpfe oder Klebeverbindungen angebracht, welche die Recyclingqualität mindern. Dann habe ich wieder ein schwer recycelbares Gemisch und unterstütze diesen linearen Prozess "herstellen – verwenden – wegschmeißen". Wir bleiben damit in dem System stecken, welches die Klimaproblematik verursacht hat.

STANDARD: Sie plädieren für die Kreislaufwirtschaft, weg von diesem linearen Prozess?

Priebe: Ja, aber nur, wenn der Herstellungsprozess genau kontrolliert wird und alle Bestandteile der Produkte bekannt sind. Wenn sich ein Produkt nicht biologisch abbaut oder zu neuem Nährstoff werden kann, muss ich das Produkt nach dem Gebrauch zurückgeben können, sodass daraus wieder ein hochwertiges Produkt werden kann.

STANDARD: Ihr Forschungsinstitut EPEA GmbH berät Unternehmen bei der Entwicklung restlos recycelbarer Produkte nach dem Prinzip Cradle to Cradle. Wie kann so etwas aussehen?

Priebe: Die Firma Wolford hat zum Beispiel mit EPEA Switzerland biologisch abbaubare Unterwäsche sowie technisch recycelbare Legwear entwickelt, die komplett kreislauffähig sind. Wichtig ist hier immer die ganzheitliche Betrachtung: In welchem Kontext wird das Produkt genutzt? Erzeugt ein Textil aus Kunststoff Faserabrieb beim Waschen? Dann sollte es Filtersysteme geben, die den Mikroplastikeintrag verhindern. (Interview: Olivera Stajić, 13.7.2019)