herausforderung: Ehrenamtliche Tätigkeiten nachhaltig attraktiv gestalten – als 2015 viele Flüchtlinge ankamen, war das Engagement kurzfristig groß.

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Das freiwillige Engagement in Österreich ist groß: 46 Prozent der Erwachsenen engagieren sich ohne Bezahlung, zeigt ein Bericht des Sozialministeriums. Das ist beinahe jeder Zweite. Dennoch beklagen Organisationen, dass es ihnen an Helfern fehlt.

Das liege mitunter daran, "dass sich die Art und Weise, wie sich Menschen engagieren, verändert", sagt Eva More-Hollerweger, die an der Wirtschaftsuniversität Wien zu dem Thema forscht. Während die Menschen früher oft über Generationen hinweg Mitglieder bei Sportvereinen oder bei der Freiwilligen Feuerwehr waren, wollen sich viele heute nicht mehr lebenslang binden. Eine interessante Parallelität zum Arbeitsleben: "Man wechselt ja heute im Vergleich zu früher ja auch häufiger die Firma."

Außerdem sehe man an den Daten, dass die Anzahl der freiwilligen Helfer zwar konstant, "aber die Zahl der Stunden weniger geworden ist", sagt More-Hollerweger. Ihre Erklärung: Freiwilligenarbeit konkurriert zunehmend mit Freizeitaktivitäten wie Shoppen oder Sport.

Belohnung fürs Helfen

Vor allem Jugendliche seien schwer zu gewinnen, sagt Barbara Österle. Sie koordiniert in Vorarlberg das Projekt Aha Plus. Bei dem Projekt geht es darum, Junge zum freiwilligen Engagement zu motivieren. Das soll gelingen, indem sie Punkte erhalten, die sie gegen "Rewards", also Belohnungen, eintauschen können: einen Pizzagutschein, Karten für ein Handballspiel, aber auch ein Interrail-Ticket oder einen Helikopterflug. Vergeben werden die Punkte nach Anzahl der Stunden, in denen sich jemand engagiert hat. Einen Pizzagutschein gibt es schon ab 300 Punkten, "den kann man sich schon holen, wenn man sich ein oder zweimal engagiert hat" . Der Helikopterflug ist mit 5000 Punkten teurer.

Aha Plus startete im Herbst 2017. Seitdem waren knapp 650 Jugendliche daran beteiligt. Sie bauen bei Sportfesten Bänke auf, geben Fußballtrainings oder räumen in Büchereien Bücher ein. Sie musizieren für ältere Menschen und passen auf Kinder auf. Zu den Tätigkeiten kommen sie über die Webseite von Aha Plus, wo Vereine Tätigkeiten inserieren, für die sie Helfer suchen. Knapp 300 Organisationen seien mittlerweile dabei. Förderer des Projekts sind das Land Vorarlberg und die Europäische Union.

Auch eine Art Entlohnung

Neben Punkten erhalten die Jugendlichen auch eine Bestätigung über ihr Engagement. Das Zertifikat sieht aus wie ein Lebenslauf und kann einer Bewerbung beigelegt werden. "Bei der Jobsuche ist das ein großer Pluspunkt", sagt Österle. Denn wer sich ehrenamtlich engagiere, erweitere seinen Horizont. Er lerne, sich zu organisieren und mit anderen zusammenzuarbeiten. "Das schätzen die Arbeitgeber natürlich."

Es sei wichtig, Jugendliche früh an ehrenamtliches Engagement heranzuführen, sagt Expertin More-Hollerweger. "Man muss ihnen die Möglichkeiten aufzeigen und sich überlegen, wie man es attraktiv für sie gestaltet." Das Projekt Aha Plus findet sie daher grundsätzlich gut. Ihr einziges Bedenken: "Solche Anreizsysteme sind ja eine Art von Entlohnung. Und die ursprüngliche Definition von Freiwilligenarbeit ist ja, dass man es unentgeltlich macht."

Die Gefahr sei, dass die Helfer ihre Tätigkeit mit einer entlohnten Arbeit vergleichen und dadurch die Motivation dafür sinkt. "Man muss schon aufpassen, nicht für alles die Karotte hinzuhalten, sondern die Tätigkeit an sich als Wert zu sehen." (Lisa Breit, 12.7.2019)