Tatjana Baborek, neue Leiterin des Wifi, brennt für lebendiges und nachhaltiges Lernen.

Foto: Wifi / Peter Provaznik

Vor drei Monaten hat Tatjana Baborek die Leitung des Wirtschaftförderungsinstituts der Wirtschaftskammer Österreich (Wifi Österreich) vom langjährigen Leiter Michael Landertshammer übernommen. Aus ihrer Sicht ändert sich der Bildungsbereich rasant. Mit individuellen Angeboten, in kleinen Einheiten könne jeder die richtige Weiterbildung finden. Als langjährige Trainerin in der Jugend- und Erwachsenenbildung weiß sie, dass es nicht am mangelnden Willen zur Weiterbildung scheitert, sondern viel eher an der Unsicherheit, wie man Weiterbildung angehen soll.

STANDARD: Lebenslanges Lernen ist ein geflügeltes Wort. Wo sehen Sie die wichtigsten Handlungsfelder des Wifi?

Baborek: Seit über 70 Jahren steht das Wifi für bedarfsorientierte und kundenorientierte Aus- und Weiterbildung. In dieser Zeit haben sich die Anforderungen rasant verändert. Und das Wifi hat die Menschen schon immer mit passgenauen Kursen durch den Wandel begleitet. Blicken wir nach vorn, verändern der technologische Fortschritt und die Digitalisierung die Arbeits- und Lebenswelten der Menschen enorm. Neue Berufsbilder entstehen, Arbeitsbereiche fallen weg, und Routinetätigkeiten werden von Maschinen übernommen. Wir wissen heute noch nicht genau, wie sich die Arbeit in der weiteren Zukunft gestalten wird. Eines wissen wir aber: Der Trend geht weg von manuellen Fähigkeiten hin zu kognitiven Tätigkeiten, das gilt für fast alle Berufe. Das bedeutet, dass wir einerseits Unternehmen beim digitalen Wandel unterstützen und die Mitarbeiter optimal vorbereiten auf das, was noch kommen möge. Andererseits wollen wir Menschen gezielt auf die Kompetenzen der Zukunft vorbereiten, um sie so für die digitale Transformation fit zu machen.

STANDARD: Sie haben gesagt, sie wollen noch zielgenauere und innovativere Produkte anbieten. Gibt es da schon konkrete Ideen?

Baborek: Es gibt nicht nur Ideen, wir sind mitten in der Umsetzung. Zukünftig werden immer mehr technologische und gleichzeitig soziale und emotionale Kompetenzen benötigt. Dieser Kombination wollen wir gerecht werden. Einen Fokus legen wir auf die digitale Höher- und Umqualifizierung. So bieten wir ab Herbst für Führungskräfte den Lehrgang "Certified Digital Business Professional" an. Es geht aber in der beruflichen Weiterbildung nicht nur um das WAS, sondern auch um das WIE. Die größte Innovation ist, meiner Meinung nach, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Das Wifi punktet mit einer topausgestatteten Infrastruktur und Lernräumen, die das individuelle und das soziale Lernen fördern. Denn nur so werden Menschen neben der nötigen Fachkompetenz mit Selbstvertrauen, Eigenverantwortung und Mut ausgestattet. Fachkräfte brauchen abgesehen von fachlichen und digitalen Kompetenzen auch die sogenannten "21st Century Skills": Kommunikation, Kollaboration, kreatives und kritisches Denken. Und das brauchen Unternehmen, um Innovationen voranzutreiben und erfolgreich zu sein.

STANDARD: Die Änderungsgeschwindigkeit nimmt zu – damit man mithalten kann, muss man sich laufend fit halten. Das schaffen nicht alle. Wie kann das verbessert werden?

Baborek: Wer sich regelmäßig weiterbildet, braucht sich vor Veränderungen nicht zu fürchten. Neues zu lernen macht selbstbewusst. Menschen wollen sich weiterentwickeln und sind häufig nur unsicher, wie sie es angehen sollen. Hier setzen wir mit Bildungsberatung, Lernbegleitung, Potenzialanalysen und einer Kombination unterschiedlicher Lernmethoden an – etwa Präsenzlernen in der Gruppe und digital unterstütztes Lernen wie Blended Learning und Microlearning. So kann die Selbstlernkompetenz der Menschen gestärkt werden, denn eines ist sicher: Lebenslanges Lernen ist und bleibt Voraussetzung für den Erhalt der individuellen Beschäftigungsfähigkeit.

STANDARD: Bildung ist ein wichtiger Hebel gerade für den Wirtschaftsstandort ...

Baborek: Ja, dem Fachkräftemangel kann nur mit Bildung begegnet werden. Mit der Bildungsoffensive setzt die Wirtschaftskammer gleich in mehreren Handlungsfeldern entscheidende Schritte. Bestens ausgebildete und digital und sozial kompetente Fachkräfte sind unsere Mission. Das Wifi leistet dabei einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung: beispielsweise mit der "Virtuellen Lernplattform", die neues Wissen einfach, kurzfristig und ortsunabhängig zugängig macht; oder bei den Bildungspfaden, die heute schon aufzeigen, welche durchgängigen Weiterbildungsmöglichkeiten es nach der Lehre gibt, oder beim "Campus der Wirtschaft" – einer völlig neuen beruflichen Bildungseinrichtung mit offenen Laboren, hochmodernen Werkstätten und Räumen für multiprofessionelle Zusammenarbeit.

STANDARD: Was sehen Sie persönlich als größte Herausforderung?

Baborek: Die Weiterbildung muss genauso schnell auf Trends und Veränderungen reagieren wie der Markt. Gleichzeitig ist es unser Auftrag als Bildungsinstitution, Menschen beim technologischen Wandel zu begleiten, sie beim dafür nötigen Mindshift zu unterstützen und ihnen Stabilität zu geben. Aber ja, die Leitung des Wifi ist definitiv mein Traumjob. Es ist ein Heimkommen der besonderen Art, zumal ich bereits als Trainerin und als Lehrlingsausbildnerin am Wifi Wien und am Wifi Niederösterreich tätig war. Und dort wurde der Grundstein für meinen hohen Qualitätsanspruch in der Aus- und Weiterbildung gelegt. (Gudrun Ostermann, 15.7.2019)