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Mit Parlamentspräsident David Sassoli hat Ursula von der Leyen schon gutes Einvernehmen hergestellt
Foto: Reuters / François Lenoir

Wenn alles klappt wie geplant, wird das Plenum des Europäischen Parlaments am Dienstag, Punkt 18 Uhr, in Straßburg darüber abstimmen, ob die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen neue Präsidentin der EU-Kommission wird. Die Entscheidung wird knapp. Wie berichtet, werden die Grünen, die Linken, Rechtspopulisten und EU-Skeptiker gegen die nominierte Kandidatin votieren.

Da die Stimmen von Europäischer Volkspartei (EVP, 183) und Liberalen (RE, 108) für eine absolute Mehrheit von 376 Votes nicht ausreichen, hängt alles davon ab, wie die zweitstärkste Fraktion, die Sozialdemokraten (S&D, 154), ihre Stimmen vergibt. Bei ihnen gibt es Vorbehalte der 16 deutschen Abgeordneten. Laut EP-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley werden sie, "Stand jetzt", gegen die Christdemokratin von der Leyen stimmen, so wie die fünf österreichischen SPÖ-Mandatare.

SP verhandelt intensiv

Im Hintergrund wird freilich intensiv verhandelt, welche Forderungen im Sozialbereich diese noch erfüllen könnte, um die Gunst einer großen Zahl an S&D-Abgeordneten zu bekommen. Das Arbeitsprogramm für die nächsten fünf Jahre ist im Detail noch lange nicht fertig. Von der Leyen wird in Straßburg in einer Generaldebatte die Grundpfeiler ihres künftigen Teams präsentieren.

Erst wenn sie gewählt ist, kann sie dann naturgemäß damit beginnen, ein "Ministerteam" von Kommissaren zusammenzustellen, wie die EU-Verträge das vorsehen. Bei den Anhörungen diese Woche bei den Fraktionen des EP hat von der Leyen sich nur bei zwei Personen festgelegt: Frans Timmermans, der beim EU-Gipfel als Kommissionschef übergangene SP-Spitzenkandidat (weil die Viségrad staaten und Italien ein Veto eingelegt haben) soll weiterhin erster Vizepräsident und ihr Stellvertreter bleiben. Ob er die Zuständigkeit für Grundrechte behalten wolle, überlasse sie ihm.

Und die Deutsche legte sich darauf fest, dass ihre Kommission zur Hälfte mit Frauen besetzt sein muss. Die Spitzenfrau der Liberalen, Margrethe Vestager, die dänische Wettbewerbskommissarin, werde zur Vizepräsidentin aufgewertet. Alles andere sei offen.

Johannes Hahn, für Erweiterung zuständig, möchte eine dritte Periode als Kommissar anhängen.
Foto: APA / Roland Schlager

Laut EU-Vertrag werden Kommissare "im Zusammenwirken von Präsident und nationalen Regierungen" bestimmt. Der Chefin der Kommission allein obliegt es aber, die jeweilige Zuständigkeit der Kommissare festzulegen. Sie ist dabei völlig frei. Die 27 Kommissarsanwärter müssen sich im Herbst Anhörungen in den zuständigen Ausschüssen des Parlaments stellen, können als ungeeignet abgelehnt werden. Im Oktober wählt das EP dann die gesamte Kommission. So weit die Theorie.

Die Hälfte der nationalen Regierungen hat diesen Prozess bereits unterlaufen, zuletzt Österreich mit der Wiedernominierung von Johannes Hahn, seit 2010 in Brüssel. Stand Freitag wurden von der Leyen 14 Nominierungen avisiert, was ihre Mitgestaltungs- bzw. Mitsprachemöglichkeiten einschränkt. Denn neun davon sind Männer, nur fünf Frauen. Bisher galt es als ausgemacht, dass Regierungen zwei Kandidaten – männlich und weiblich – nominieren, um Spielraum zu lassen.

Viele Altkommissare

Neben Timmermans, Vestager und Hahn würden fünf bisherige im Amt bleiben: Valdis Dombrovskis (Lettland, Euro und Soziales), Marija Gabriel (Bulgarien, Digitales), Phil Hogan (Irland, Agrar) und Maroš Šefčovič (Energie), Věra Jourová (Tschechien, Justiz).

Ebenso national bereits nominiert sind Spaniens Außenminister Josep Borrell (SP), der Außenbeauftragter (und Vizepräsident) wird; Nicolas Schmit, EU-Abgeordneter und Ex-Arbeitsminister in Luxemburg; Ex-Wirtschaftsministerin Kadri Simson, eine Liberale aus Estland; der Christdemokrat László Trócsányi, Ex-Justizminister in Ungarn; Jutta Urpi lainen, Ex-SP-Finanzministerin in Finnland; und der Portugiese Pe dro Marques, EU-Abgeordneter der SPE. Der Überhang an Männern ist hoch. Und es sind relativ viele Sozialdemokraten dabei, die von der Leyen als Nachfolgerin Jean-Claude Junckers – zumindest öffentlich – infrage stellen, was auf Deals hinweist. Die Abstimmung der EU-Abgeordneten ist geheim. (Thomas Mayer aus Brüssel, 12.7.2019)