"Ich komme immer sofort an die Spitze", sagt Eveline Pupeter von sich. Was sie jungen Frauen rät? "Ja sagen, wenn man gefragt wird, ob man etwas kann."

Foto: Regine Hendrich

Eveline Pupeter kommt mit einem Koffer zum Interview. Handys hat sie dabei, Broschüren und sonst noch allerlei. "Ich habe eine Botschaft", sagt die Chefin des Linzer Seniorenhandybauers Emporia. Man müsse ältere Menschen dazu bringen, Smartphones zu nutzen. Deswegen hat ihr Unternehmen eine App erfunden, die man auf alte Android-Smartphones spielt. Damit könne jeder mit dem Handy umgehen, sagt sie. Ihre Mama hat sie noch nicht überzeugt.

STANDARD: Was halten Sie vom Klischee, dass Frauen sich mit Technik schwertun?

Pupeter: Das kann ich nicht bestätigen. Es gibt genauso 87-jährige Männer, die das nicht mehr lernen wollen. Ganz grundsätzlich ist das eine Sozialisierungsfrage. Die Burschen zerlegen sofort mit dem Papa Autos. Wenn Mädchen genauso herangeführt werden, machen sie das auch.

STANDARD: Nur eine Frage der Zeit, bis Frauen sich auch intensiv für Technikberufe interessieren?

Pupeter: Das glaube ich schon. Das ist auch die Zukunft. Technologie greift immer mehr um sich. Man kann dort auch viel mehr Geld verdienen. Die Absolventen der HTL Braunau gehen weg wie die warmen Semmeln und bekommen Einstiegsgehälter von 4000 Euro nach der Matura. Da will keiner studieren. Entweder wollen die Jungen Unternehmer und ganz schnell mit einem Unicorn Millionär werden, oder sie wollen sofort in einen Konzern einsteigen und 4000 Euro und ein Dienstauto.

STANDARD: Was wollten Sie werden? Sie wuchsen in einem Landgasthof auf. Wirtin offenbar nicht.

Pupeter: Ich habe die Hotelfachschule gemacht. Da war schon der Plan, dass ich Wirtin werde. Mein älterer Bruder und ich haben bis zum Studienende jedes Wochenende zu Hause im Gasthaus und in der Landwirtschaft gearbeitet.

Pupeter hat als Wirtstochter am Stammtisch viel über Menschen gelernt.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Viel Arbeit, oder?

Pupeter: Wir kannten das nicht anders. Du machst deine Hausaufgaben in der Gaststube, bist dabei, wenn der Stammtisch sitzt. Dort lernt man Menschenkenntnis. War da zufällig nur ein einziger Gast da, ließ man den nicht alleine. Da hat man sich als Wirtin oder als Wirtstochter dazugesetzt. Der musste sich immer wie ein Gast fühlen, nicht wie einer, der zahlt.

STANDARD: Sie haben Wirtschaft studiert, in der Medienbranche Karriere gemacht. Zum Schluss waren Sie Holdingchefin der Landesverlagsgruppe Oberösterreich. Warum sind Sie nicht dortgeblieben?

Pupeter: Ich habe einem Aufsichtsrat nicht reingepasst. Das war damals Ludwig Scharinger (langjähriger Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Landesbank OÖ; Anm.).

STANDARD: Sie haben sich mit einem der damals mächtigsten Oberösterreicher angelegt?

Pupeter: Genau. Er ist im Aufsichtsrat gesessen und rief einen an und sagte dir als CEO, was du zu tun hast. Er ist ja jetzt schon in den ewigen Jagdgründen, er war ja Jäger. Er war es gewohnt, dass Männer und Frauen gehorchen. Und ich habe nicht gehorcht.

STANDARD: Wobei waren Sie denn ungehorsam?

Pupeter: Er hat mich angerufen und gesagt, den musst du aus deinem Unternehmen entfernen – aus der Zeitung – und den auch. Ich habe gesagt, das tue ich nicht, und da habe ich gewusst, mit dieser Aussage werde ich über kurz oder lang hinausgeworfen.

STANDARD: Sie stiegen dann in das Unternehmen Ihres damaligen Mannes ein. Jetzt sind Sie Alleineigentümerin und CEO. Haben Sie ihren Ex-Mann hinausgeekelt?

Pupeter: Nein, gar nicht. Er ist ein Pionier. Sobald ein Unternehmen eine gewisse Normalität und Stabilität bekommt und der Kick des Neuen, des Ungewöhnlichen weg ist, macht es ihm nicht mehr wirklich Spaß. Da komme ich ins Spiel.

Die Unternehmerin hat sich einst mit Ludwig Scharinger angelegt: "Er war es gewohnt, dass Männer und Frauen gehorchen. Und ich habe nicht gehorcht." Heute produziert sie Smartphones für Senioren.

STANDARD: Als Sie 2003 ins Unternehmen eingestiegen sind, war das eine aufregende Zeit. Das erste UMTS-Handy kam auf den Markt, das erste Handy mit integrierter Videokamera ...

Pupeter: ... es war ganz anders. Wir hatten damals kein einziges Handy, sondern Festnetztelefonie, Anrufbeantworter, Walkie-Talkies. Aber wir haben gesehen, dass das Auslaufmodelle sind.

STANDARD: Keine Angst vor Nokia, Alcatel und Co gehabt?

Pupeter: Wenn du weißt, dein Geschäft wird zu Ende gehen, dann weißt du, dass du dir etwas überlegen musst, sonst ist es vorbei. Wir haben dann Tastentelefonie gemacht, und jetzt sind wir dabei, die Transformation in den Smartphonebereich zu machen.

STANDARD: Sie designen in Österreich und produzieren in China, wie Apple das iPhone. In kritischen Berichten ist vom Apple-Proletariat die Rede, von chinesischen Arbeiterinnen, die für iPhones ausgebeutet werden. Made in China wird da nicht unbedingt mit dem Prädikat wertvoll versehen. Zu Recht?

Pupeter: 99,9 Prozent der Smartphones und Mobiltelefone kommen aus Shenzhen. Nicht nur iPhones. Die Chinesen haben eine super Infrastruktur aufgebaut, die weltweit einzigartig ist. Wir haben dort fünf Fabriken, die für uns Handys bauen. Das sind ganz normale Arbeitsbedingungen, wie sie in der automatisierten Produktion sind. Ich hätte nie den Eindruck gehabt, dass das furchtbare Zustände sind.

STANDARD: Sorgt Sie das Säbelrasseln zwischen China und USA?

Pupeter: Wir haben schon darüber nachgedacht, ob wir die Produktion nach Europa holen können. Nach Weißrussland oder Rumänien oder eine vollautomatisierte Produktion in Deutschland. Weil irgendwann sagt der Herr Trump, es darf nicht mehr in China produziert werden. Man weiß ja nie, was ihm wieder einfällt, wenn er schlecht geträumt hat.

STANDARD: Die steigenden Löhne in China sind kein Grund?

Pupeter: Ein Softwareentwickler kostet in Shenzhen mittlerweile genauso viel wie in Österreich. Aber du kriegst ja in Österreich keine, insofern bist du trotzdem froh, wenn du chinesische bekommst. In Österreich sind Android-Entwickler Mangelware. Der Kampf um die Informatiker, um die Techniker, um die Programmierer ist voll entbrannt.

STANDARD: Wie kommen Sie dann zu Ihren Mitarbeitern?

Pupeter: Wir holen Leute aus Bosnien, Kroatien, Ungarn, Albanien.

STANDARD: Verlangen die Österreicher zu hohe Gehälter?

Pupeter: Nein, die wollen für Runtastic und für Google arbeiten, aber doch nicht für einen Seniorenhandybauer. Das ist nicht sexy.

STANDARD: Dabei haben Sie doch eine Mission.

Pupeter: Ja, es muss uns gelingen, den digitalen Spalt zwischen Jung und Alt zu schließen. In Österreich verwenden 1,3 Millionen Menschen 60 plus kein Smartphone.

STANDARD: Vielleicht sind sie glücklich so?

Pupeter: Das nützt aber nichts. Sie werden in Zukunft abgemeldet sein. Du kannst keinen Parkschein mehr lösen, keine Banküberweisung machen.

STANDARD: Eine Frechheit, oder?

Pupeter: Ja, ein Skandal. Aber wir müssen die Älteren über diesen digitalen Spalt drüberbringen.

STANDARD: Haben Sie ihre Mutter schon überzeugt?

Pupeter: Die 89-jährige Schwiegermutter hat ein Smartphone. Meine Mutter ist im Widerstand. (Regina Bruckner, 13.7.2019)