Meine Familie, mein Haus, mein Kompost: In diesem ländlichen Wertesystem wuchs ich auf. Immer schon wird dort der Bioabfall im Kübel gesammelt und einmal am Tag auf dem Komposthaufen hinterm Haus entleert. Man ist nicht zimperlich, alles, was nicht Fleisch ist, kommt rein. Was dann damit passiert, ist eine Wissenschaft, für deren Studium man vor dem Pensionsalter nicht die Zeit hat. Ich kenne Männer, die stets die Temperatur ihres Komposts wissen und ihren Tag danach einteilen, wann er umgeschaufelt oder mit Grünschnitt abgedeckt gehört. Es lohnt sich: Ihre Ausbeute geiler Bioparadeiser ist enorm, ihre Gärten und Glashäuser gehen über von fantastischem Gemüse.

Der Weg zum Kompostler

Als ich nach Wien übersiedelte, fand ich es erst merkwürdig, Biomüll nicht zu trennen, aber man war Anfang zwanzig und hatte andere Hobbys; es war anstrengend genug, das Leergut der WG zu entsorgen, wenn Elternbesuch anstand. Dann wohnte man in Häusern ohne Biomüllcontainer in der Nähe, dann war man mit kleinen Kindern beschäftigt. Dann fand man eine Wochenendhütte auf dem Land, bastelte daneben gleich einen dieser 15-Euro-Holz-Komposter zusammen und nahm die Gemüseabfälle, wenn möglich, mit aufs Land. Aber der meiste Bioabfall wurde immer noch in den Restmüll geworfen, bis ich irgendwann, beim Entsorgen von Plastik- und Glasflaschen, den Biomüllcontainer bewusst wahrnahm, der wohl immer schon da stand. Nun ließ sich der Container nicht mehr ohne schlechtes Gewissen ignorieren. Ich bemerkte auch die kompostierbaren Biomüllsäcke im Drogeriemarkt, ah, gut, das gibt’s eh. Ende Ausreden, Ende Ikea-Blecheimer. Ich besorgte einen geteilten Edelstahltreteimer: ein größerer Behälter für Restmüll, ein kleinerer für Biomüll. Ist praktisch, lässt sich ohne großen Aufwand bewerkstelligen, stinkt nur, wenn man zu selten entsorgt.

100.000 Tonnen Biomüll werden in Wien jährlich gesammelt und in Kompost verwandelt (den man an den meisten Mistplätzen bis zu einem halben Kubikmeter kostenlos mitnehmen darf): Ich war jetzt Teil der Kompostbewegung und fühlte mich besser.

Kompostierbare Sacherl zergatschen im Mistkübel und dürfen nicht in den Biomüll.
Foto: Frank Robert

Die Mär vom Biomüllsack

Allerdings, besser. Wie so oft ist auch hier das größte Problem, dass man anfängt, sich besser zu informieren. Oder unabsichtlich über einen Beitrag über die vermeintlich kompostierbaren Säcke stolpert, von denen manche Konsumenteninfo behauptet, ihre Verwendung im Biomüll sei okay. Ist es nicht: Die Infoseiten der regionalen Entsorger, zum Beispiel wien.gv.at, informieren genau, was in den Biomüll darf und was nicht, und diese Sackerln leider nicht, weil sie sich viel zu langsam zersetzen. Ach, jetzt! Ich bastelte nach einer Youtube-Anleitung aus Zeitungspapier Körbchen, die ebenso im Eimer zergatschen und beim Abtransport zerreißen wie die teuren Biomüllpapierbeutel aus dem Supermarkt. Next Stop: wurmkiste.at, dieser Holzhocker, in dem 2000 Würmer den Biomüll direkt zu Kompost verarbeiten – sehr überzeugend, das Netz ist begeistert, ich erwäge die Anschaffung. Momentan sammle ich den Biomüll in kompostierbaren Sackerln, schüttle sie mit zugekniffener Nase in den Biomüllcontainer aus und werfe die Sackerln dann in den Restmüll. Sehr suboptimal. Und stinkt. (Doris Knecht, 13.7.2019)

Vergangene Folgen:

Wir brauchen viel mehr schlechtes Gewissen!

Wie ich versuchte, weniger Fleisch zu essen

Digitales Fasten