"Wenn wir jetzt aus unserer mitteleuropäischen Sicht einen Flugverzicht verlangen, dann fordern wir auch von Menschen in Schwellenländern einen Verzicht auf die Chance, die Welt zu entdecken. Das wird nicht gelingen", gibt Lufthansa-Chef Carsten Spohr zu bedenken.

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Zürich – Die Diskussionen rund ums Klima führten laut Lufthansa-Chef Carsten Spohr bisher nicht zu einem Buchungsrückgang, wie er in einem Interviem mit der "NZZ am Sonntag" sagt. "Wir sehen derzeit keine Zurückhaltung – im Gegenteil." Im Vergleich zum Vorjahr, das ein Rekordjahr war, erwarte die AUA-Mutter Lufthansa gruppenweit einen Passagierzuwachs von rund vier Prozent. Auch die Swiss verzeichne weiter ein Wachstum.

"Die Menschen wollen fliegen. Immer mehr möchten die Welt entdecken und international Geschäfte machen", sagte der 53-jährige Manager und Pilot. Er verteidigte die Luftfahrt "als eines der effizientesten Transportmittel, vor allem für lange Strecken." Global mache der CO2-Ausstoß aller Fluggesellschaften rund 2,8 Prozent der von Menschen verursachten CO2-Emissionen aus.

"Wenn wir jetzt aus unserer mitteleuropäischen Sicht einen Flugverzicht verlangen, dann fordern wir auch von Menschen in Schwellenländern einen Verzicht auf die Chance, die Welt zu entdecken. Das wird nicht gelingen", sagte Spohr weiter.

Wildwuchs an Steuern

Der Airline-Chef kritisierte zudem den nationalen Wildwuchs bei den Passagiersteuern: "Das Klima schützen wir damit nicht." Allfällige Maßnahmen sollten seiner Meinung nach innerhalb Europas wettbewerbsneutral gestaltet werden. "Unsere Konkurrenten für die Langstrecken sitzen heute in der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder für Flüge über den Nordatlantik in den USA. Die alle erheben bestimmt keine CO2-Abgaben." Sie würden so aber Passagiere abziehen.

Gleichzeitig verurteilte Spohr Flugangebote von Billigairlines zu Spottpreisen. "Wettbewerber arbeiten tatsächlich teilweise mit Preisen pro Flug unter zehn Euro. Das ist ökonomisch, ökologisch und auch politisch unverantwortlich." Insgesamt gebe es in Europa weiterhin zu viel Kapazitäten im Markt. Er räumte ein, das auch die Lufthansa-Billigtochter Eurowings Trips für teils unter 35 Euro anbietet. "Weil wir unsere Heimatmärkte verteidigen müssen, können wir uns dem nicht vollständig entziehen."

Flughafen Zürich überlastet

Der Lufthansa-Chef befürchtet einen Kollaps des Flughafens Zürich als Umsteigezentrum. Der Manager der Swiss-Muttergesellschaft warnt vor weiteren Einschränkungen des Flugbetriebs. "Besonders eine Vorverlegung der Starts und Landungen spätabends um bis zu 25 Minuten, wie zurzeit diskutiert, würde den Hub-Betrieb in existenzielle Probleme bringen", sagte Spohr. Ohne Hubbetrieb werde sich Zürich mit weniger als zehn Langstreckenzielen zufriedengeben müssen statt 45 wie heute. (APA, sda, 14.7.2019)