Kelechi Victor Otu will mit kostenlosen selbstgenähten Binden und Aufklärung Nigerianerinnen helfen.

Foto: Gänsler

Kelechi Victor Otu lächelt. Der 21-Jährige, der in Makurdi, der Provinzhauptstadt des zentralnigerianischen Bundesstaates Benue, lebt, weiß genau, welche Frage nun kommt. Warum ist ausgerechnet ein junger Mann, der auch noch Ingenieurwissenschaften studiert, für eine Kampagne zur Menstruationshygiene verantwortlich? "Ich möchte die Stigmatisierung beenden, die Frauen erleben. Wenn man mich als Mann an der Spitze sieht, spricht das Bände", erklärt er.

Gemeinsam mit weiteren Freiwilligen trifft er sich regelmäßig im winzigen Büro der Samuel-Ioron-Stiftung. Der Raum, der an einer ruhigen Seitenstraße in Makurdi liegt, ist nicht einmal zehn Quadratmeter groß. Von hier koordiniert die kleine Organisation jedoch ihre Kampagne Red Dot – Roter Punkt.

Erfahrungen der Schwestern erlebt

Ziel ist es, vor allem mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen über Menstruation zu sprechen und das Tabu zu brechen. Wie schwierig das ist, hat Otu selbst erlebt. "Ich habe Schwestern. Als eine von ihnen vor drei Jahren zum ersten Mal ihre Regelblutung bekam, war sie sehr schüchtern. Letztendlich hat mir unsere Mutter gesagt, was sie hat. Für mich war klar, dass es nicht nur ein Problem in unserer Gesellschaft, sondern auch in meiner Familie ist."

Die Menstruation ist zudem mit allerlei Mythen belegt. "Hier heißt es mitunter, dass die Periode etwas Spirituelles, sogar etwas Teuflisches hat", sagt Otu. Vergangenes Jahr wurde aus Ghana bekannt, dass Mädchen und Frauen den Fluss Ofin in der Nähe der Stadt Kumasi nicht überqueren dürfen, wenn sie ihre Periode haben. Im Ramadan müssen Frauen das Fasten unterbrechen. In anderen Regionen der Welt, etwa in Asien, ist es ihnen mitunter verboten, Tempel zu besuchen.

Millionen Frauen haben finanzielle Probleme

In Nigeria, wo knapp die Hälfte der etwa 200 Millionen Einwohner in absoluter Armut lebt, stellt die Monatsblutung Millionen Frauen außerdem vor finanzielle Probleme. Je nach Menge kosten Packungen zwischen 300 und 1500 Naira. Der Mindestlohn liegt jedoch nur bei 30.000 Naira (75 Euro). Das wird mittlerweile weltweit unter dem Schlagwort Period Poverty diskutiert. Im Juni forderte deshalb Virginia Kamowa, Expertin für Menstruationshygiene für die Organisation WSSCC (Water Supply and Sanitation Collaborative Council) mit Sitz in Genf, bei einem Besuch in Makurdi, die Mehrwertsteuer für Binden zu senken, berichtet die Tageszeitung The Punch. In anderen Ländern wie Südafrika ist das bereits geschehen.

In Dörfern sind Binden aber schlicht nicht erhältlich. Stattdessen wird ein Stück Stoff genommen. Häufig ist das nicht ausgekocht und nicht lange genug getrocknet worden. Infektionen sind keine Seltenheit. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) schätzt, dass auf dem ganzen Kontinent eines von zehn Mädchen die Schule wegen der Monatsblutung versäumt. Nicht einmal jede zweite Schule verfügt über Toiletten.

Zusatzeinkommen für Schneiderinnen

Die Stiftung will nun selbstgenähte Binden verteilen. Kelechi Victor Otu stapelt die ersten Exemplare vor sich auf, die aus rotem und schwarzem Stoff genäht wurden, mal ein Blümchenmuster, mal eins mit Karos und Streifen haben. Sie sind aus Lagos nach Makurdi geschickt worden. Ab August sollen sie jedoch vor Ort hergestellt werden. Schneiderinnen können das in Workshops lernen und sich so einen neuen Einkommenszweig schaffen.

Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg, der viel Aufklärungsarbeit erfordert. "Wir müssen sicherstellen, dass die Mädchen die genähten Binden nicht verstecken, sondern auch nutzen", sagt Kelechi Victor Otu. Deshalb wollen er und seine Mitstreiter künftig Kontakte zu Schulen und Behörden ausweiten und vor Schülern über Menstruation, Pubertät und das Erwachsenwerden sprechen. Auf dem Stundenplan steht das schließlich bisher nicht. (Katrin Gänsler aus Makurdi, 15.7.2019)