Mit dem Durchbruch der Fahrerlebnisschalter hätte uns eigentlich schon alles klar sein müssen. Der Zenit ist erreicht. Von nun an geht es bergab mit dem Automobilbau. Zumindest mit diesem Teil, den wir alten, harten Hunde so schätzen. Fahrwerk, Dynamik, Präzision – diese Dinge. Das Auto an sich war inzwischen perfekt. Man konnte sich endlich auf den Bildschirm auf der Mittelkonsole konzentrieren, um so für eine neue, jüngere Zielgruppe interessant zu werden. Für unsereins ist das so abwegig, als wollte man Sex durch buntere Socken besser machen.

Der X2 M35i bricht mit der BMW-Tradition des Hinterradantriebs. Das Ergebnis ist aber besser, als wir im ersten Moment befürchteten.
Foto: Guido Gluschitsch

Was das alles mit dem BMW X2 M35i zu tun hat? Moment noch. Wir alten Hunde haben ja schon das Radio nur für die Verkehrsnachrichten gebraucht. Einen Computer hätten wir nie eingebaut. Ein SUV mit hohem Schwerpunkt kommt uns immer noch nicht ins Haus. Der Frontantrieb war schon von jeher etwas für Dynamiknackerpatzln. Und jetzt endlich, willkommen im BMW X2, einem Fronttriebler-SUV mit modernster digitaler Technik, einer Coupéform und trotzdem vier Türen und einer Heckklappe.

Grafik: der Standard

Er ist ein wilder Spagat zwischen jungen Neukunden und alten Hunden, die sich inzwischen beim Einsteigen in Sportwagen eh schon ein bisserl schwertun.

Wenn sie jetzt schon mit geröteten Augen vor diesem Text sitzen, den sie erst wegen des Buchstaben M – der bei BMW bedingungslose Sportlichkeit verspricht – zu lesen begonnen haben: Halten Sie durch. Es kommt noch dicker. Vierzylinder-Turbo.

In diesem M werkt ein Vierzylinder, der über zwei Endrohre ausatmet.
Foto: Guido Gluschitsch

Der leistet allerdings 306 PS. Da steigt dann auch BMW von seiner Erfahrung nicht runter und schickt die geballte Kraft nicht allein über die Vorderräder in den Boden. Eine AWD-Kupplung von Borg Warner schaltet zur Not die Hinterräder dazu. Und Überraschung, das Ergebnis gereicht nicht nur fahrpatscherten Digitalkids zur Freude. Auch wenn man die Frontantriebsarchitektur natürlich spürt, ist das Ergebnis deutlich kurzweiliger, als die schiere Summe der Zutaten erwarten ließe. Die jahrelange Erfahrung im Sportwagenbau glänzt da halt am Ende doch durch.

Im Cockpit finden wir noch schöne Rundinstrumente.
Foto: Guido Gluschitsch

Wenn man dann auch noch den schon eingangs erwähnten Fahrerlebnisschalter in Richtung Sport drückt, die eine oder andre Kurve flotter anfährt und am Scheitel ans Gas geht, kommt auch mir altem Zauderer ein "Des-derf-jetzt-aber-net-wahr-sein!" aus. Unterstrichen wird das Ganze von einem herzhaften Klang, der offenen Auspuffklappen geschuldet ist.

Die Nieren sind beim X2 noch regelrecht zierlich.
Foto: Guido Gluschitsch

Trotz der Anbiederung an die aktuellen Trends hat BMW um den Computer herum doch ein verdammt knackiges Auto gebaut, das sich das M ganz klar als Insignie der Sportlichkeit verdient hat. Ja, verdammt, die Zeiten ändern sich, und mit ihnen die Autos. Aber nicht alles, was anders ist, ist auch gleich schlechter – denken wir an die feine Acht-Gang-Automatik. Oder dass wir heute mit dem X2 M35i einen Sportwagen fahren können, der in fünf Sekunden von null auf hundert sprintet und sich trotzdem, je nach Reise, mit 7,5 bis maximal zehn Liter im Test begnügte. (Guido Gluschitsch, 25.7.2019)

Die Sitze zeugen von der Sportlichkeit, die diesem X2 innewohnt.
Foto: Guido Gluschitsch