Humor steigert die Lebenszufriedenheit und fördert Beziehungen – vorausgesetzt, es wird nicht auf Kosten anderer gelacht.

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"Humor ist, wenn man trotzdem lacht", lautete die Erkenntnis des Schriftstellers und Dichters Otto Julius Bierbaum. Er hatte sie zum Motto seines 1909 erschienenen Reisetagebuchs "Yankeedoodlefahrt" gemacht – und lag damit gar nicht so falsch. Zumindest wenn man den Worten von Humorforscher Willibald Ruch Glauben schenkt. Der gebürtige Kärntner befasst sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Humor und forscht aktuell am Psychologischen Institut der Universität Zürich.

Was die Sache verkompliziert: Bis heute ist nicht eindeutig definiert, was Humor eigentlich ist. Die Wissenschaft tut sich naturgemäß schwer, wenn es keine einheitlichen Begriffe gibt. "Im Periodensystem der Elemente ist klar festgelegt, was zum Beispiel das Symbol für Eisen ist. In der Humorforschung haben wir diese Sprache nicht", sagt Ruch.

Amerikaner gaben lange vor, was Humor ist

Einer der Gründe dafür: Humor bedeutet in vielen Ländern etwas anderes. "Die Chinesen haben erst seit rund 100 Jahren ein Wort, das den Klang von Humor imitiert", weiß Ruch. Das sei dann zwar auch Humor, aber aus dem Ausland importiert. Im Französischen sei der berühmte Esprit vorherrschend. Vom Herzen ausgehender, wohlwollender Humor sei die Erfindung des Humanismus in England. "Diese Art von Humor wurde über die britischen Kolonien verbreitet, hat sich aber mittlerweile ein bisschen ausgewaschen."

Wie andere Bereiche auch ist die Humorforschung nämlich sehr amerikanisch geprägt. Von Anfang an wurde daher eher in die Richtung geforscht: Warum sind Witze lustig? Worüber lachen wir? Stand-up-Comedys, Micky Maus und der Rest von Walt Disney haben lange bestimmt, was unter Humor zu verstehen ist. "Im Alltag ist Humor ein Synonym für fast alles, worüber wir lachen", sagt Ruch.

Sicher ist: Es gibt keine Kultur, die nur ernst miteinander kommuniziert. Auch wenn bisher kein einheitlicher Humorbegriff gefunden wurde, existieren humorvolle Phänomene unabhängig voneinander. "Positive Emotionen sind angeboren, manche Menschen sind heiter, andere weniger. Das hat auch Einfluss auf den Humor", erklärt Ruch. Hinzu kommen familiäre Prägungen: Wurde in der Familie oft gelacht? Und aus welchem Anlass? Worüber man in welchen Situationen lachen kann und darf, ist mitunter auch stark von kulturellen Regeln geprägt. "Wann und wo darf man zum Beispiel ordinäre oder politische Witze machen? In welchem Zusammenhang? Privat oder auch öffentlich? In Anwesenheit vom Chef? Von Frauen? Von Kindern?" Das sei von Kultur zu Kultur stark unterschiedlich.

Heitere Gelassenheit dem Leben gegenüber

Ruch selbst fasst den Humorbegriff jedenfalls viel weiter als den Gag in einer Comedyserie. Er definiert ihn sogar gänzlich anders. Denn Humor und Lachen sind nicht dasselbe. Lachen kann man auch ohne Humor – und umgekehrt. Oft passiert natürlich beides gleichzeitig. "Ich verstehe Humor als eine Art heitere Gelassenheit dem Leben gegenüber. Dass man nichts so ernst nimmt und auch tragischen, schwierigen Situationen noch eine heitere Note abgewinnt."

Wenn Humor etwas Wertvolles, Tugendhaftes ist – was genau ist dann der Witz, der Comic, der uns zum Lachen bringt? Ruch zufolge ist der Überbegriff dafür das Komische. "Ein Sammelbegriff mit Unterphänomenen wie Spaß, Witz, Satire, Sarkasmus, Zynismus, Ironie und so weiter." Mit einem einzigen Wort komme man nicht aus, es brauche viele. Von den einzelnen Komikstilen sei Humor jedenfalls nur einer unter vielen. Eine Liste mit genau definierten Begriffen gibt es aber eben nicht.

Humor als mögliche Therapieform

So eine Liste zu erstellen wäre Ruch zufolge gar nicht so schwer. Das Interesse an der Humorforschung sei aber begrenzt. Förderungsquellen wie in der Pharmaindustrie gebe es nicht. Und die wolle sich keine Konkurrenz schaffen, indem sie Forschungen unterstützt, die Lachen als Alternative oder Zusatz zu Medikamenten untersuchen. Zudem sei das Thema Humor den "ernsten Disziplinen" im Gesundheitsbereich grundsätzlich eher fremd.

"Man schaut lieber, ob Ärger den Blutdruck hochbringt, als ob Lachen ihn senken könnte", kritisiert Ruch das krankheitsorientierte Forschungsdenken. Eine gemeinsame Studie mit der Rehaclinic Bad Zurzach in der Schweiz habe zum Beispiel gezeigt, dass ein einstündiges Clinic-Clown-Programm die Überblähung der Lunge bei COPD-Patienten vorübergehend abbaue. "Auch so etwas könnte also Teil einer Therapie sein", ist Ruch überzeugt.

Darüber, wie sich Humor auf die Gesundheit auswirkt, gibt es viele Vermutungen. "Es steht ziemlich fest, dass Humor hilft, Stress zu bewältigen", sagt Ruch. Wer in stressigen Situationen Humor zeige oder dazu instruiert werde, überstehe sie mit weniger körperlichen Einbußen wie zum Beispiel erhöhtem Blutdruck. Man sei entspannter, Endorphine würden ausgeschüttet, die Schmerzschwelle sinke. "Die Schmerzreduktion ist gut belegt, ansonsten ist die Befundlage aber nicht so eindeutig." Denn die Frage ist: Macht lachen gesund, oder erleichtert Gesundsein das Lachen? Außerdem würden Studien oft in einem sehr kleinen Rahmen durchgeführt.

Humor kann man lernen

Humor als Charakterstärke ist jedenfalls mit einem höheren Wohlbefinden verbunden. "Je mehr Humor jemand hat, desto glücklicher, zufriedener und weniger depressiv ist er", sagt Ruch. Diesen Schluss legt auch eine Studie nahe, die er gemeinsam mit seinem Team durchgeführt hat.

Dabei zeige sich: Humor steigert die Lebenszufriedenheit. Das mache zwei Mechanismen sichtbar. Erstens: Humor fördert positive Emotionen. "Ich kann damit einer gespannten, gestressten Situation den Druck nehmen." Zweitens: Humor fördert Beziehungen. "Über Humor kann ich engere Beziehungen herstellen, über etwas gemeinsam zu lachen verbindet." Nachsatz: Es gebe allerdings auch Humorarten, die Distanz schaffen, etwa Auslachen, Kritisieren oder Sarkasmus.

Eine weitere Erkenntnis aus dem Humorinterventionsprogramm von Ruch: Humor ist veränderbar. Humortrainings von achtmal zwei Stunden hätten die Lebenszufriedenheit der Teilnehmer positiv beeinflusst. Außerdem seien sie von ihrer Umgebung als humorvoller wahrgenommen worden. "Das war auch noch zwei Monate später nachweisbar. Das alte Dogma, dass man Humor entweder hat oder nicht, stimmt also nicht", resümiert Ruch. (Maria Kapeller, 18.7.2019)