Auch schon fünf Wimbledon-Titel in der Tasche: Novak Djokovic.

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Der Serbe mit dem Objekt der Begierde.

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Horst Skoff war ein unterhaltsamer Typ. Die Zeitschrift "Sports Illustrated" nannte den 2008 verstorbenen Tennisprofi "eine Art John McEnroe der europäischen Sandplätze". Der Österreicher legte sich mit allem und jedem an. Als Skoff 1987 in Monte Carlo vom Publikum mit Pfiffen bedacht wurde, schleuderte er den Zusehern einen frechen Spruch entgegen: "The more you whistle, the better I play." An diesem Tag sollte der Bürgerschreck aus Kärnten recht behalten. Er bezwang den französischen Publikumsliebling Yannick Noah in drei Sätzen.

Novak Djokovic wurde im Endspiel von Wimbledon nicht ausgepfiffen. Allerdings kann man sich kaum an ein Grand-Slam-Finale erinnern, in dem die Sympathien so klar verteilt gewesen wären wie am Sonntag. Im fünften Satz wurde jeder Punkt von Roger Federer gefeiert, als hätte man in London Silvester vorgezogen. Die Unterstützung für den Schweizer brachte den späteren Champion keineswegs aus der Ruhe. Im Gegenteil, sie spornte den Serben zu Höchstleistungen an. Sein simpel klingendes Rezept: "Wenn die Menge Roger ruft, höre ich Novak. Es klingt komisch, aber so ist es. In meiner Vorstellung war ich immer der Sieger."

Wimbledon
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Nach einem fast fünfstündigen Schlagabtausch und zwei abgewehrten Matchbällen hatte Djokovic das Endspiel mit 7:6 (5), 1:6, 7:6 (4), 4:6, 13:12 (3) für sich entschieden. Allein 122 Minuten dauerte der fünfte Satz. Ausgerechnet im letzten Match des Turniers kam erstmals im Einzel die neue Regelung mit einem Tiebreak beim Stand von 12:12 zur Anwendung. "Es war mental die härteste Partie, die ich je gespielt habe", sagte der Sieger.

Aber wie konnte sich Djokovic im letzten Moment aus der Umklammerung auf dem Center Court befreien? Woher diese mentale Stärke? "Er war auf ein solches Szenario vorbereitet", sagt der österreichische Ex-Profi Alexander Antonitsch zum STANDARD, "er spielt jede Variante im Kopf durch und weiß, dass das Publikum gegen ihn sein wird. Das kann ihm nichts anhaben."

Antonitsch stand 1990 im Achtelfinale von Wimbledon und litt diesmal mit Federer. "Ich habe selten gesehen, dass er so viele Chancen ausgelassen hat. Die verpassten Matchbälle werden ihm länger durch den Schädel gehen."

Mehr Wut als Enttäuschung

Mit etwas Abstand zeigte sich Federer in der Tat getroffener, als es auf dem Platz den Anschein hatte: "Ich bin eher wütend als enttäuscht. Ich habe das Gefühl, dass ich eine unglaubliche Möglichkeit verpasst habe." Vergebene Matchbälle gegen Djokovic haben für Federer gewissermaßen Tradition, auch bei den US Open 2010 und 2011 verlor er so jeweils im Halbfinale. Seit sieben Jahren wartet Federer nunmehr auf einen Sieg gegen Djokovic bei einem der vier Grand-Slam-Turniere.

"Federer ist trotzdem der beste Botschafter, den unser Sport jemals hatte. Er ist ein Geschenk. Wir sollten jeden Moment genießen, in dem wir ihn spielen sehen", sagt Antonitsch. Aber warum können sich die Tennisfans für Djokovic nicht ähnlich erwärmen? "Weil er manchmal zu sehr gefallen will. Er ist aber ein supernetter Kerl, der sich im Spielerrat immer für andere eingesetzt hat."

Die Erfolge sind dem 32-Jährigen ohnehin nicht zu nehmen. Der Triumph am Sonntag war sein fünfter in Wimbledon, sein 16. Titelgewinn auf Grand-Slam-Ebene. Der 37-jährige Federer hält bei 20 Titeln, der 33-jährige Rafael Nadal bei 18. Gut möglich, dass Djokovic seine Rivalen in den kommenden Jahren überflügelt und als erfolgreichster Spieler in die Geschichte eingeht.

"Das ist vorstellbar, das Alter spricht für ihn", sagt Antonitsch. Und was ist mit den Jungen? Dominic Thiem? Alexander Zverev? Stefanos Tsitsipas? "Noch haben sie nicht die Konstanz der drei Großen. Wir werden sehen, ob sie jemals so weit kommen." (Philip Bauer, 15.7.2019)