Im Heck von Max Verstappen: Sebastian Vettel.

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Silverstone – Sebastian Vettel schaute sich im Motorhome von Ferrari noch das epische Tennis-Drama zwischen Novak Djokovic und Roger Federer in Wimbledon an, dann lief er zu seinem Motorrad und brauste überraschend gut gelaunt davon. Doch auf den 32-Jährigen warten nach seinem Rambo-Manöver von Silverstone nun ungemütliche Tage, sein Vorgesetzter Mattia Binotto kündigte ein Gespräch mit seinem Krisen-Piloten an.

"Ich muss mit Vettel reden", sagte der Ferrari-Teamchef, nachdem der Deutsche knapp zwei Wochen vor seinem Heimspiel auf dem Hockenheimring am Tiefpunkt einer ohnehin bisher völlig verkorksten Saison angekommen war. Anstatt auf dem Podium landete Vettel beim Großen Preis von Großbritannien mit seinem Ferrari im Heck des Red Bull von Max Verstappen – und hat mit dieser völlig unnötigen Aktion wohl auch seine allerletzte Chance auf den WM-Titel weggeworfen. "Ihm selber ist es am klarsten, dass es wichtig ist, solche Fehler nicht zu machen", sagte Binotto.

Die Fehler häufen sich

Und nicht nur bei Ferrari fragen sie sich mittlerweile: Was ist bloß mit Vettel los? Die Fehler des Ex-Weltmeisters häufen sich, und – vielleicht noch ein bisschen überraschender – auch sein Umgang damit verändert sich. "Es war mein Fehler. Ich habe mich verschätzt und eine Lücke gesehen, die es nicht gab", sagte Vettel, der als WM-Vierter nun satte 100 (!) Punkte Rückstand auf Weltmeister Lewis Hamilton (Mercedes) hat. Seine bisherige Saison bezeichnete der Dauersieger von einst in einem Wort als "schwierig".

Damit sorgte Vettel im Fahrerlager durchaus für Verwunderung, denn bisher gehörte Selbstläuterung nicht zu den Stärken des sonst so Verbissenen. Manche Beobachter führen die neue Entwicklung auf eine einsetzende Formel-1-Müdigkeit zurück. Schließlich hatte sich Vettel zuletzt immer wieder über seinen Sport beschwert. "Es ist alles zu komplex, zu kompliziert geworden", sagte er unter anderem: "Vereinfacht heißt das: Brennt die Regeln ab, und lasst uns neu beginnen."

"Nur noch eine blasse Kopie"

Nicht nur die italienischen Medien rätselten am Tag danach über die aktuelle Form und die Zukunft des viermaligen Weltmeisters. "Er ist nur noch eine blasse Kopie jenes Mannes, der vier WM-Titel mit Red Bull gewann", schrieb der "Telegraph". "La Stampa" bat in großen Lettern das Kontrollzentrum um Hilfe: "Maranello, wir haben ein Problem."

Die Gerüchte, Vettel könnte trotz eines bis Ende 2020 laufenden Vertrages bereits nach dieser Saison seine Karriere beenden, halten sich jedenfalls hartnäckig. Angeblich soll die Scuderia bereits Daniel Ricciardo (Renault) kontaktiert haben, sollte das Team plötzlich einen Nachfolger für Vettel brauchen. Die teaminterne Hierarchie ist jedenfalls bereits über den Haufen geworfen, das hat die "Gazzetta dello Sport" bereits festgestellt: "Ferrari hat einen neuen Leader. Leclerc dominiert die Show."

Aufmunternde Worte von Hamilton

Selber befeuert hat Vettel diese Spekulationen nie – aber er dementiert sie auch nicht unmissverständlich. In Silverstone machte er seine Zukunft von den Regeln für die Zeit ab 2021 abhängig. "Natürlich werde ich mir genau ansehen, wie das künftige Reglement aussieht", sagte er. "Ich will sagen können: Das sind tolle Rennwagen, wir haben eine aufregende Formel 1."

In der Krise erhielt Vettel ausgerechnet von seinem Rivalen Hamilton aufmunternde Worte. "Er ist ein Großer dieses Sports und wird in den nächsten Rennen stärker zurückkommen", sagte der Brite über Vettel: "Weil es das ist, was Athleten nun einmal machen." Bei Vettel geraten derzeit allerdings einige Gewissheiten ins Wanken. (sid, 15.7.2019)