Politik ist ein grausames Geschäft. Seit 14 Jahren ist Angela Merkel nun deutsche Bundeskanzlerin, aber jetzt, gegen Ende ihrer Laufbahn, reden alle nur vom Zittern. Mediziner, Psychologen und andere "Experten" erstellen Ferndiagnosen von vermeintlichen Schwächeanfällen der 65-Jährigen. "Wie lange noch, Frau Kanzlerin?", titelte "Bild" gewohnt geschmackssicher. Kleine Ursache, große Wirkung.

Wie sollen Medien mit Merkels Zittern umgehen? Immerhin ist es die Kanzlerin, die da bei öffentlichen Auftritten gesundheitliche Probleme vermuten lässt. Medien gehen damit auf ihre Weise um. Der Medienwissenschafter Bernhard Pörksen sieht allerdings die tieferen Hintergründe anhand der Praxis des "Medienmobbings": "Hier zeigt sich die Grausamkeit der Mediengesellschaft, die Verachtung von Schwäche."

Fragen dieser Art umgeht die Dokumentation "Mensch Merkel!" am Dienstag um 20.15 Uhr auf ZDF. Reporter Bernd Reufels lässt das Zittern der Kanzlerin ganz weg und konzentriert sich auf ein Porträt, das sich ganz den Stationen der Politikerin widmet, dessen zentrale Aussage aber auch für gesundheitliche Themen gelten kann: Keiner sollte die 65-Jährige unterschätzen.

Nicht die "Mutti für ein Jahr"

Durchhaltevermögen bewies sie schon als junge Kanzlerin, sagt Berufskollege Gregor Gysi von den Linken. "Die dachten, Angela Merkel sei die Mutti für ein Jahr, und dann schicken wir sie nach Hause", sagt Gysi. "Na, die hat aber dann sie nach Hause geschickt."

Das ZDF zeigt am Dienstag um 20.15 Uhr eine Dokumentation zum 65. Geburtstag der deutschen Kanzlerin am 17. Juli.
Foto: ARD

Die Dokumentation zieht Bilanz anhand entscheidender Themen der Kanzlerschaft: Klimawandel, Umgang mit Migration, Finanzkrise, Bankenrettung, Eurokrise, Ausstieg aus der Kernenergie, Gesprächspartner wie der ehemalige Premierminister Tony Blair oder Politikerkollegen wie Norbert Blüm, Franz Müntefering und Andrea Nahles versuchen eine Einordnung, sie stimmen in einen Grundton zwischen Kritik und Mythenbildung ("Niemand kennt sie wirklich") ein.

Wie ruhig es war

Über die Person Merkel erfährt der Zuseher und die Zuseherin kaum Erhellendes: Merkel habe nur wenige Vertraute, hasse Indiskretion, wichtigste Entscheidungen würden nur im kleinsten Kreis getroffen, für Entscheidungen nehme sie sich Zeit. Alles andere wäre nun aber doch sehr überraschend gewesen.

"Sie ist dageblieben wie ein schweres Möbelstück", sagt der Journalist Hans-Ulrich Jörges. Er meine es bewundernd. So kann man es auch sagen. Oder wie sein Berufskollege Robin Alexander mit Blick auf die Zukunft: "Die Leute werden in ein paar Jahren sagen, wie schön ruhig war es doch mit der Merkel." (prie, 167.2019)