Wie stark Maximilian Günther wirklich ist, ließ sich angesichts seines unterlegen Autos in der abgelaufenen Formel-E-Saison kaum abschätzen.

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Niki Lauda, Jochen Rindt, Gerhard Berger: Österreichs Motorsporttradition hat klingende Namen. Trotz dieser potenziellen Vorbilder gibt es derzeit kaum Fahrer in der Oberschicht des Motorsports. Da wäre der nun in der japanischen Super-Formula fahrende Lucas Auer, der zweifache DTM-Rennsieger Philipp Eng, Porsche-Langstreckenwerkspilot Richard Lietz, in nächster Reihe DTM-Pilot Ferdinand Habsburg.

Und – wenn er denn wollte – Maximilian Günther. Der deutsch-österreichische Doppelstaatsbürger wurde schon mit Schlagzeilen wie "Wird das der nächste deutsche Formel-1-Weltmeister?" bedacht, in Nachwuchsklassen distanzierte er unter anderem den rasenden Sohn Mick Schumacher.

Günther in Formel-3-Zeiten.
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"Ich bin einige Kartrennen für Österreich gefahren", sagt Günther dem STANDARD. Aber: "Ich lebe in Deutschland, drum war bis jetzt immer die deutsche Flagge drauf." Der 22-jährige Sohn einer Tirolerin war in der am Sonntag zu Ende gegangenen Saison der jüngste Fahrer der Formel E, er pilotierte in zehn von 13 Rennen einen der zwei Boliden des Teams Dragon Racing. Das Auto war den Elektroflitzern der Konkurrenz klar unterlegen, angesichts dessen sind Günthers zwei fünfte Plätze als beste Leistungen respektabel. Der Allgäuer holte 20 Punkte, sein Teamkollege José Maria Lopez kam auf drei Zähler.

Angekommen

"Es ist vor allem am Anfang sehr speziell gewesen, gegen viele Vorbilder zu fahren", sagt Günther. Mit fünf Jahren verliebte sich der Blondschopf via Fernseher in die Formel 1, mit sechs Jahren demonstrierte er auf der ersten Kartfahrt offensichtliches Talent. Dann kamen vor allem: Siege. Mit 13 wechselte Günther vom Kart- in den Formelsport, dort tragen die Nachwuchsklassen Namen wie "Formel BMW Talent Cup" oder "ADAC Formel Masters". Günther wurde in Ersterem aus dem Stand Vizemeister.

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Motorsport ist teuer. "Ich bin kein Fahrer, der viele Millionen im Hintergrund hat", sagt Günther. Er musste sich also in Förderprogramme fahren: "Bei mir ging es jedes Jahr ums nackte Überleben – wenn die Leistung nicht gestimmt hätte, wäre es vorbei gewesen." Schon als Jugendlicher habe er sich über "viele Dinge Gedanken gemacht. Natürlich weißt du dann auch Bescheid, was auf dem Spiel steht." Also existenzieller Druck als Zwölfjähriger. "Da bin ich reingewachsen."

Formel-Erfolge

Günther kletterte die Leiter weiter, wurde Zweiter in der Formel 3, gewann das prestigeträchtige Silverstone-Rennen in der Formel 2. Weniger talentierte Konkurrenten kauften sich in dieselben Klassen ein. Schwierig für die Psyche eines Teenagers? "Du akzeptierst es einfach. In dem Sport immer nach Fairness zu streben wäre falsch, weil dann wirst du wahnsinnig."

Freundschaften gebe es in den Nachwuchsklassen ohnehin nicht. "Du haust dir komplett die Köpfe ein, keiner wünscht dem anderen irgendwas Gutes, jeder will nach oben kommen", erzählt Günther. Der Paddock der Formel E sei da deutlich amikaler: "Die Fahrer sind älter, haben einiges erlebt. Auf der Strecke ist es aber genau der gleiche Fight, jeder fährt die Ellbogen aus."

Es krachte in New York.

Das erste von zwei Rennen beim Saisonfinale in New York war dafür beispielhaft: Jean-Eric Vergne hätte seine Titelverteidigung fixieren können, musste aber nach einem Crash in der Startphase mit kaputtem Auto an die Box. Nachdem der Franzose dank einer Safety-Car-Phase wieder zum Feld aufgeschlossen und sich in einem chaotischen Rennen nach vorne gearbeitet hatte, schien er noch Punkte zu sammeln.

Action

Irrtum. Als Vergne in der letzten Runde den auf Platz neun liegenden Felipe Massa mit einem waghalsigen Manöver überholen wollte, machte der brasilianische Ex-Formel-1-Vizeweltmeister gnadenlos die Tür zu und navigierte seinen Kontrahenten in die Wand. So brauchte es noch Vergnes siebenten Platz im letzten Rennen, um den Titel zu fixieren.

Günther war im ersten Rennen nach einem guten Qualifying lange auf Punktekurs, sah das Ziel wegen einer Kollision aber nicht. im zweiten Rennen verbremste er sich und blieb so aus eigenem Verschulden punktelos. Seinem Status für die bevorstehenden Vertragsgespräche wird das kaum schaden. "Mein Ziel ist ganz klar, die nächsten Jahre in der Formel E zu fahren, hier sehe ich meine Zukunft", sagt der 22-Jährige. Vielleicht auch mal mit österreichischer Lizenz? Günther grinst. Er ist ein verbindlicher Typ, aber auch ein Vollprofi, der weiß, was er sagen muss. "Sag niemals nie." (Martin Schauhuber aus New York, 15.7.2019)

Die Reise nach New York erfolgte auf Einladung von Formel-E-Titelsponsor ABB.