Die ehemalige Skirennläuferin Elisabeth "Lizz" Görgl, die 2011 Doppelweltmeisterin war und heuer die zwölfte ORF-Staffel von "Dancing Stars" gewann, sieht die Menstruation "nicht als Tabuthema". Intensive Auseinandersetzung damit lohne sich insbesondere im Spitzensport. "Ich hatte oft einen Supertag – und am nächsten Tag hab ich die Regel gekriegt."

STANDARD: Es ist nicht ganz auszuschließen, dass das Thema oder auch nur das Wort Menstruation in der gut dreißigjährigen Geschichte des STANDARD-Sports nicht vorgekommen ist. Haben Sie im Lauf Ihrer Karriere je mit Journalistinnen oder Journalisten darüber geredet?

Görgl: Nein, ich glaube nicht. Umso mehr, wenn ich darüber nachdenke, finde ich die Initiative super. Ich habe mich über die Anfrage gefreut, im ersten Moment ist sie vielleicht ein bisschen ungewöhnlich. Aber die Menstruation liegt ja unserem Frausein zugrunde, wir haben halt jeden Monat die Regel.

STANDARD: Als eine chinesische Schwimmerin einen enttäuschenden vierten Platz bei den Olympischen Spielen 2016 damit begründete, dass sie am Wettkampftag die Regel bekam, wurde sie dafür fast gefeiert. Es hieß, sie habe ein Tabu gebrochen. Ist die Menstruation ein sportliches Tabuthema?

Görgl: Ich sehe sie nicht als Tabuthema, im Gegenteil, die Regel gehört zu uns dazu. Und natürlich kann man darüber sprechen. Es ist auch nicht verwerflich, weder für eine Sportlerin noch für einen Sportler, nach einer enttäuschenden Leistung zu sagen, dass man sich einfach nicht gut gefühlt hat. Es wird nicht jeder Sportlerin liegen, so plakativ auf die genaue Ursache einzugehen. Das muss jede für sich selbst entscheiden. Aber wenn es ab und zu eine anspricht, ist das sicher kein Schaden.

Görgl: Die Regel zu verschieben und alles jeden Tag genau zu beobachten? "Das hätte mich zu sehr vom Wesentlichen, also vom Skifahren, abgelenkt."
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Die Menstruation wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit schon vieler Nichtsportlerinnen aus. Beschäftigen sich Spitzensportlerinnen also speziell mit der Thematik?

Görgl: Es lohnt jedenfalls, sich damit auseinanderzusetzen. Denn natürlich beeinträchtigt es die sportliche Leistung, wenn man die Tage hat und da vielleicht auch Bauchkrämpfe, was auch immer. Ich persönlich hatte Gott sei Dank nie große Beschwerden. Aber es gibt ja auch Frauen, die sind fast außer Gefecht gesetzt, die können zwei Tage lang praktisch nichts tun. Ich weiß es von einigen Kolleginnen. Manchmal ist da eine zum Konditionstrainer gegangen und hat gesagt, dass es ihr nicht gut geht, dass sie Menstruationsbeschwerden hat. Und dann war ganz klar, dass sie vom Training freigestellt wird. Es ist immer darauf reagiert worden seitens der Trainer.

STANDARD: Wurden zum Beispiel auch Trainingspläne abgestimmt im Hinblick darauf, dass sich die Leistungsfähigkeit im Laufe eines Zyklus verändern kann?

Görgl: Das ist ein spannendes Thema, das immer mehr beachtet wird. Ich weiß, dass es da auch seitens des ÖSV Initiativen gibt, das hat begonnen, kurz bevor ich vor zwei Jahren aufgehört habe. Da hat es geheißen, wir müssen auch diesen Bereich optimieren und auf die Frauen mehr eingehen.

STANDARD: War oder ist man nicht relativ spät dran?

Görgl: Ich bin selbst schon Konditionstrainerin und mache jetzt auch die staatliche Trainerausbildung. Und mir ist schon klar, dass die Trainingslehre prinzipiell nicht für die Frau konzipiert ist. Auf den Hormonhaushalt der Frauen ist da jedenfalls wenig abgestimmt. Der Bereich wird in Zukunft viel mehr beachtet werden, nicht nur in Österreich.

STANDARD: Kann eine Spitzensportlerin Schmerztabletten nehmen, wenn sie die Regel hat? Oder kriegt sie dann möglicherweise Probleme bei Dopingkontrollen?

Görgl: Das ist wie bei allen anderen Schmerzen oder Problemen auch. Es gibt Mittel, die man nehmen darf, und Mittel, die man nicht nehmen darf, weil Inhaltsstoffe auf der Dopingliste stehen. Darüber weiß man als Spitzensportlerin genau Bescheid, darüber wird man informiert und informiert man sich.

STANDARD: Wird die Menstruation, auch und insbesondere im Sport, als Nachteil angesehen, den es möglichst auszugleichen gilt? Oder kann sich die Menstruation unter Umständen auch positiv auswirken?

Görgl: Ich habe bei mir beobachtet, dass ich tatsächlich am Tag vor der Regel häufig die beste Leistungsfähigkeit gehabt habe. Ich weiß nicht, ob das bei anderen auch so ist. Aber ich hatte oft einen Supertag, und am nächsten Tag habe ich die Regel gekriegt – und extrem viel Hunger. Ich habe das regelmäßig bemerkt bei mir, ja wirklich, das Wort regelmäßig passt da ganz gut.

STANDARD: Hätten Sie nicht vielleicht sogar profitieren können, wenn man diese Beobachtung quasi wissenschaftlich verwertet hätte?

Görgl: Ich bin nicht der Typ, der alles verwissenschaftlicht. Meine Regel zu verschieben und alles jeden Tag genau zu beobachten, daran habe ich nie gedacht. Das hätte mich zu sehr vom Wesentlichen, also vom Skifahren, abgelenkt. Außerdem ist das Skifahren so eine komplexe Sportart. Wenn du eine Kurve nicht richtig fährst, ist jeder Vorteil, den du dir anders verschafft hast, dahin.

STANDARD: Ist es vorstellbar, dass Athletinnen in anderen Sportarten oder auch in anderen Ländern ihren Zyklus genau steuern, um am Tag X die beste Leistung abrufen zu können?

Görgl: Vorstellbar ist viel. Im Zuge meiner Trainerausbildung habe ich die schlimmsten Geschichten darüber gehört, was früher angeblich in der DDR passiert ist. Dass Frauen sogar geschwängert worden wären, weil sie zu Beginn der Schwangerschaft leistungsfähiger sind, und dann wieder abgetrieben haben. Vielleicht gibt es auch Länder, in denen diese Grenze heute noch überschritten wird. Das ist ethisch natürlich überhaupt nicht vertretbar. In dem Land und in dem Sport, in dem ich mich bewege, sind wir davon, Gott sei Dank, sehr weit entfernt.

STANDARD: Aber auch eine Skirennläuferin könnte ja vor wichtigen Bewerben, zum Beispiel vor Olympischen Spielen, etwas nehmen, um die Regel zu verschieben. Das machen ja Frauen, die nicht Spitzensport betreiben, zum Teil auch, wenn sie eine tolle Reise vor sich haben.

Görgl: Es wird vielleicht Frauen geben, die das machen. Aber für mich war das nie ein Thema, ich hätte das auch im Umfeld nicht bemerkt. Mich hat das nie so tangiert. Ich habe auch nie die Pille genommen. Da greifst du als Frau ja auch stark in deinen Hormonhaushalt ein. Aber ich will noch etwas Grundsätzliches zum Thema Regel sagen: Wir Frauen sollten die Regel positiv sehen, auch deshalb, weil wir dadurch ein zusätzliches Ausscheidungsprodukt haben, um beispielsweise Säuren loszuwerden. Wir haben durch die Regel tatsächlich einen Vorteil. Es gehört immer wieder ins Bewusstsein geholt, dass die Regel natürlich ihren Sinn hat. Das ist von der Natur schon gescheit eingerichtet. Viele Frauen fühlen sich dadurch, dass sie die Regel haben, wahrscheinlich benachteiligt. Aber so ist es nicht, finde ich.

Schmerztabletten gegen Menstruationsbeschwerden – auch im Spitzensport? "Das ist wie bei allen anderen Schmerzen. Es gibt Mittel, die man nehmen darf, und Mittel, die man nicht nehmen darf."
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Haben Sie sich schon als Skirennläuferin mit dem Säure-Basen-Haushalt beschäftigt?

Görgl: Wir haben vor mehr als zehn Jahren bei Konditionskursen schon Vorträge zu dem Thema gehört. Der ÖSV hat eine Partnerschaft mit dem deutschen Hersteller Jentschura, und dessen Geschäftsführer hat uns erklärt, wie wichtig die Entsäuerung ist. Er meinte, Mädels, die Regel soll kein Problem für euch sein, sie ist ein Vorteil für euch. Und dass viele Männer auch deshalb sehr früh Haarausfall kriegen, weil sie eben ein Ausscheidungsorgan weniger haben.

STANDARD: Angehende Spitzensportlerinnen müssen ihren Körper oft an die Grenzen und darüber hinaus belasten. Gehen Jugendliche da nicht auch das Risiko ein, dass sich diese Belastung auf die Regel auswirkt?

Görgl: Das kann sicher passieren. Viel hängt auch mit der Ernährung zusammen. Bei mir gab es eine Phase in der Pubertät, da habe ich sehr viel trainiert und wollte gleichzeitig unbedingt abnehmen. Pubertät, schwieriges Thema. Ich habe auch wirklich viel Fett abgenommen, das hat dazu geführt, dass ich längere Zeit gar keine Regel hatte. Das war schon ein massives Zeichen dafür, dass man sehr stark in den hormonellen Haushalt eingreift. Es hat sich dann wieder normalisiert, als ich wieder normal gegessen habe.

STANDARD: Haben es Burschen leichter?

Görgl: Ganz ehrlich: Spitzensport ist hart. Der entspricht nicht unbedingt der weiblichen Seite, die, wenn man so will, vielleicht eher gefühlvoll, kreativ, emotional ist. Die männliche Seite ist hart, gemma, geht schon. Jeder Mensch hat beides. Weil ich in einem weiblichen Körper stecke, heißt das nicht, dass ich keine männlichen Seiten habe. Und diese männlichen Seiten, die ich habe, haben mir im Spitzensport sehr geholfen. Gleichzeitig finde ich es wichtig, dass ich die kreative Seite auch lebe, dass ich weich bin. Da war das Tanzen eine sehr schöne Erfahrung für mich. Wenn man beide Facetten anzapfen kann, führt das zur maximalen Leistungsfähigkeit.

STANDARD: Haben Sie in Ihrer Aktivenzeit nie blöde Sprüche gehört, in der Art von: Die ist aber heute komisch, die führt sich auf, wahrscheinlich hat sie die Regel?

Görgl: Vorweg – unsere Coaches sind mit uns immer sehr respektvoll umgegangen, da war immer Distanz da, es ist immer um sachliches Trainieren gegangen. Aber wenn ich sage, ich habe nie so einen Spruch gehört, würde ich wahrscheinlich lügen. Natürlich wird das passiert sein. Vielleicht ist man dahingehend auch konditioniert, vielleicht ist man es gewohnt, dass es so einen Jargon gibt. Ich habe mich nie diskriminiert gefühlt deswegen. Man ist im Sport echt härter im Nehmen – und auch im Geben. Wir Mädels haben bei Männern genauso gesagt: Was ist mit dem, hat der heute die Regel?

STANDARD: Ein Nachteil, den die Regel für Frauen mit sich bringt, ist jedenfalls der finanzielle Aspekt. Mittlerweile gibt es Schulen, in denen sich Schulsprecherinnen und Schulsprecher dafür einsetzen, dass am WC Gratistampons aufliegen. Was halten Sie von Initiativen wie dieser?

Görgl: Solche Initiativen finde ich natürlich gut, überhaupt wenn sie sozial Schwächere unterstützen. Und generell hilft es sicher, sich von dem Glauben zu verabschieden, dass die Menstruation ein Tabuthema ist. In Skandinavien ist man auch da viel weiter als bei uns, glaube ich. Vor ungefähr zehn Jahren war ich einmal zu Besuch bei Anja Pärson in Schweden. Anja hat sich damals in einer Initiative gegen billige Tampons, die krebserregende Stoffe enthalten, engagiert. Fand ich super, dass eine Olympiasiegerin und mehrfache Weltmeisterin so etwas macht. (Fritz Neumann, Petra Stuiber, 20.7.2019)