Um kurz nach elf Uhr ist die Maschine aus Kiew auf dem Flughafen Wien gelandet. Roland Karner beobachtet die Passagiere, die beim Gepäckband gleich neben dem Ausgang auf die ankommenden Koffer warten. Der Flug ist ein "Risikoflug" für Zigarettenschmuggel. Karner ist Teamleiter beim Zoll, seit 28 Jahren arbeitet er in Schwechat.

Die Schätze des Zollamts am Flughafen Wien. Am teuersten ist die Springziege (Krickerl in der linken unteren Vitrine). Allein eine Abschussgenehmigung würde zwischen 70.000 und 100.000 Euro kosten.
Foto: Christian Fischer

Sein Handy piept, keine verdächtigen Gepäckstücke. Bevor die Koffer auf dem Förderband der Gepäckausgabe ankommen, werden sie bereits von einem Mitarbeiter geröntgt. Flüge aus bestimmten Ländern außerhalb der EU werden auf bestimmte Waren geprüft. Nur nach diesen wird, schon bevor der Koffer aufs Band kommt, gesucht. Im Fall des Flugs aus Kiew schaut der erste Beamte also nur, ob er Tabakwaren erkennt. "Es muss so schnell gehen, als würde das Gepäck vom Flugzeug direkt aufs Band kommen", sagt Karner.

Eine Kobra darf auch nicht im Schnaps mitkommen.
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Sollte ein Beamter etwas finden, wird der Stützpunkt informiert. Passagiere müssen, nachdem sie ihren Koffer geholt haben, zwischen zwei Ausgängen wählen. Den roten Kanal, falls man etwas anzumelden hat, den grünen, wenn man nichts dabei hat, was man beim Zoll deklarieren will. "Zu etwa 99 Prozent wählen die Menschen den grünen Kanal", erzählt Karner. "Es kommt vielleicht ein- bis zweimal am Tag vor, dass Touristen etwas deklarieren."

Der Großteil der Passagiere wählt den grünen Ausgang und erklärt damit, dass es nichts anzumelden gibt.

Rund 25 Millionen Passagiere zählt der Flughafen Wien pro Jahr. 100.000 von ihnen werden im grünen Sektor kontrolliert. So auch eine blonde Frau vom Kiew-Flug. Erst wird das Gepäck noch einmal geröntgt. "Es macht keinen Sinn, einen Koffer zu öffnen, wenn man nicht weiß, wo man suchen soll", sagt Karner.

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Auf dem Monitor erscheinen kleine Kugeln, Reißverschlüsse, eine Flasche und etwas, das wie drei Einmachgläser aussieht. "Das könnte Kaviar sein", sagt Karner. 125 Gramm Kaviar von Störarten in einzeln gekennzeichneten Behältern darf man nach Österreich mitbringen. Jedes Gramm mehr ist ein Problem des Artenschutzes. "Die aufgereihten Kugeln hier sind wohl Pralinen", deutet Karner auf das Röntgenbild. Die Flasche Alkohol interessiert ihn genauso wenig wie die Schokolade und das Gewand.

Seuchengefahr durch Essen

Mit den Süßigkeiten behält der Zollbeamte recht. Doch die Gläser beinhalten nicht Kaviar, sondern Milch. Auch ein Verstoß. Sie darf nicht nach Österreich mitgenommen werden. Die Milch wird wie auch Fleisch, Fisch, Obst und andere Lebensmittel zerstört. "Da gibt es null Toleranz" , betont Karner: "Importierte Seuchen werden fast immer im Reiseverkehr eingeschleppt."

Drei große Truhen voller Essen, das vernichtet wird: Seuchengefahr.
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Die Milch kommt auf die Waage. Ein Kilo. Die Frau zückt ihre Bankomatkarte. Für sie fällt eine Vernichtungsgebühr von vier Euro an. "Das, was wir für die Entsorgung zahlen, verrechnen wir den Passagieren", sagt Karner. Im Gang vom des Ausgangsbereich stehen drei große Kühltruhen. Hier werden die abgenommenen Lebensmittel aufbewahrt. Es dauert etwa zehn Tage, bis sie voll sind, überschlägt Karner. Einmal pro Woche werden die Truhen entleert, der Inhalt wird mit dem Müll verbrannt.

Im ersten Halbjahr 2019 bilanzierte das Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien im Reiseverkehr mit 45.395 Kontrollen und 1.726 Aufgriffen. Am häufigsten ist der Zigarettenschmuggel. 620 Personen wurden mit 1.690.420 Stück erwischt. Der größte Fund: Ein Passagier aus Minsk, der über Kiew nach Wien geflogen ist, hatte versucht, auf drei Koffer verteilt 82.000 Stück, also 4.100 Päckchen oder 410 Stangen, zu schmuggeln.

Ein älterer Mann wird kontrolliert. Er hat ein Goldarmband in Istanbul gekauft, den Wert mit 150 Euro angegeben. "Es ist leicht, den richtigen Wert aufgrund des Goldpreises zu eruieren", sagt Karner. 1.000 Euro vermerken die Zollbeamten. Wäre das Armband angemeldet worden, hätte der Mann 230 Euro am Zoll lassen müssen. Ohne Anmeldung wird für ihn zur Strafe das Doppelte fällig. Im ersten Halbjahr 2019 gab es 121 Aufgriffe wegen Schmucks im Wert von gesamt 583.449 Euro.

Artenschutz wird oft verletzt

"Unser Zielpublikum sind professionelle Schmuggler", sagt Karner. Bei Reisenden gehe es vor allem darum, sie zu informieren. Mit den Kontrollen, die zum Teil auf Risikoeinschätzungen beruhen, zum Teil stichprobenmäßig durchgeführt werden, wolle man auch Präsenz zeigen. Oft müsse auf den Arten- und Seuchenschutz hingewiesen werden. "Es ist keine Schikane", sagt Karner. Auch wenn niemand so recht verstehen will, warum gerade er oder sie herausgefischt wurde.

Auch ein Panther wurde nach Österreich mitgebracht.
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Dass gerade der Artenschutz ein großes Thema bei der Einfuhr ist, zeigt sich im Büro des Zolls. Dort stehen zwei Vitrinen mit abgenommenen Gegenständen. Vor allem Tierpräparate, die lebendig einen kleinen Zoo füllen könnten, sind ausgestellt. Man findet etwa die Felle eines Braunbären, eines Wolfes oder eines Panthers. Aber auch ein Einmachglas, in dem ein toter Babyhai schwimmt, ausgestopfte Schlangen und Reptilien. An einer Kette baumelt eine in Gold gefasste Tigerkralle – einer der skurrilsten Funde heuer.

Steinkorallen sind da häufiger. 105 Stück und 24 Kilo wurden allein in der ersten Jahreshälfte abgenommen, da Korallen potenziell vom Aussterben bedroht sind und im Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt werden. Karner deutet auf eine Koralle, sie würde in seine beiden Hände passen. 200 bis 300 Euro müsse man dafür Strafe zahlen, sagt er. Das Gefundene wird zerstört, um den Handel mit gefährdeten Tierarten nicht zu unterstützen.

Großes Thema auf dem Flughafen ist der Drogenschmuggel. Bei 42 Aufgriffen wurden fast 45 Kilo Suchtgift und 2.045 Tabletten beschlagnahmt. 40 Kilo davon waren Khat, 3,6 Kilo entfielen auf Kokain. Karner holt eine blaue Energydrinkdose aus der Vitrine. Sie fühlt sich an wie eine, die man im Supermarkt kaufen kann. Dreht man sie, verlagert sich der Schwerpunkt. "Das können Sie im Internet als Safe bestellen." Er schraubt die untere Seite der Dose ab: ein Drogen- und Geldversteck.

Am Nachmittag kommt ein weiterer Flug aus Kiew an. Dann werden die Beamten wieder nach Zigaretten suchen. (Oona Kroisleitner, 16.7.2019)

Wissen: Wie viel man mitnehmen darf

Zigaretten: Mehr als eine Stange zahlt sich nicht aus

Eine Stange Zigaretten, 200 Stück, darf eine Person aus einem Drittstaat frei mitnehmen. Jeder weitere kostet: Angemeldet zahlt man etwa das, was in Österreich an Abgaben und Steuern verrechnet wird. "Bei einer Stange sind das etwa 40 bis 50 Euro", rechnet der Zollbeamte Roland Karner vor: "Es zahlt sich nicht aus." Meldet man nicht an, zahlt man das Doppelte. Man kann die Tschick auch abgeben, dann wird man mit etwa 20 Euro bestraft.

Alkohol: Zwölf Euro für einen Liter puren Alkohol

Ein Liter alkoholische Getränke mit über 22 Volumenprozent oder zwei Liter mit höchstens 22 Volumenprozent sind abgabenfrei einführbar. Hat man mehr dabei, muss man in die Tasche greifen und 20 Prozent Einfuhrumsatzsteuer plus zwölf Euro pro Liter reinen Alkohol zahlen, lautet die Info von der Zoll-Auskunftstelle. Bei einem Wodka mit 40 Volumenprozent sind das 4,80 Euro pro Liter. Dazu darf man vier Liter Wein oder 16 Liter Bier einpacken.

Maximal drei Packungen einer speziellen Arznei dürfen ins Gepäck. Sonst wird alles abgenommen.
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Medikamente: Drei Dosen Pillen und Tigerbalsam

Der Tigerbalsam zählt als Arzneimittel. Darum gilt für das beliebte Mitbringsel aus Singapur das Gleiche wie für alle Medikamente, die aus dem EU-Ausland mitgenommen werden. Bis zu je drei Packungen eines Mittels sind pro Person in Ordnung – zum Beispiel drei Packungen Aspirin plus drei Packungen andere Schmerzmittel. Vier Packungen Aspirin hingegen nicht, sofern sie nicht bewilligt wurden. Dann sind alle Packerln weg, nicht nur der Überschuss.

Souvenirs: Bei 430 Euro und dem Artenschutz ist Stopp

Zu viel shoppen sollte man im EU-Ausland nicht. 430 Euro und keinen Cent mehr – das ist die Einfuhrfreigrenze. Alles, was darüber liegt, muss beim Zoll deklariert und bezahlt werden. Aufpassen sollte man auch bei Geschenken wie Riesenmuscheln, Korallen, Tierpräparaten oder Getränken, die Schlangen und Co beinhalten. Sind die Tiere vom Artenschutzabkommen geschützt, wird es teuer. (Oona Kroisleitner, 17.7.2019)