Der Rechnungshof unter der Leitung von Margit Kraker hat Strafanzeige gegen ÖVP und SPÖ wegen deren Parteienfinanzierung gestellt. Ein weiterer Beweis für die beeindruckende Unabhängigkeit und den Willen zur Auseinandersetzung des Kontrollorgans der Republik unter dieser neuen Leitung.

Kraker wurde 2016 durch einen Schachzug des steirischen ÖVP-Drahtziehers Reinhold Lopatka aus dem Kabinett von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer über den steirischen Landesrechnungshof an die Spitze des Rechnungshofs gebracht. Sie galt bei ihrer Bestellung als typische parteipolitische Besetzung.

In der Zwischenzeit hat sich Kraker mehrfach äußerst kritisch auch über einige große Reformvorhaben der türkis-blauen Koalition geäußert. Bezüglich der Ankündigung ihres Vorgängers im Rechnungshof, Josef Moser, als Justizminister alte, unnötige Gesetze "auszuräumen", sagte sie: "Das ist eine Rechtsbereinigung, ersetzt aber keine Reform. Wenn jene Gesetze entfallen, die nie angewendet wurden, gibt es ja nicht weniger Bürokratie. Das ist bloß ein formaler Ansatz und ich fürchte auch ein Beschäftigungsprojekt für die Ministerien."

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker hat sich mehrfach äußerst kritisch auch über einige große Reformvorhaben der türkis-blauen Koalition geäußert.
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Eines der ganz großen "Reform"-Vorhaben von Türkis-Blau, den Umbau der Krankenversicherung, vernichtete Kraker in einem ORF-Interview im Mai 2018. Das angekündigte Einsparungsvolumen von einer Milliarde (Strache: "Funktionärsmilliarde") sei schlicht nicht zu erreichen. Die Zahlen der Regierung seien daher "nur schwer zu glauben", Kostenschätzungen seien "oft Wunschdenken". Die Regierung solle das "Spiel mit den Zahlen" aufgeben.

Kritische Betrachtung

Tatsächlich ist die "Reform der Krankenversicherung" ein reines Manöver zur Entfernung sozialdemokratischer Funktionäre aus dem Sozialversicherungskomplex. Was Sebastian Kurz dann später als Plan zur neuen Finanzierung der Pflege präsentierte, hat genauso wenig finanzielle Werthaltigkeit. Wenn die Pflege durch den Wegfall der Leistungen der AUVA (Arbeitsunfallversicherung) für Freizeitunfälle finanziert werden soll, so geht sich das finanziell nie aus. Nebenbei würden dann Freizeitsportler wohl zwangsläufig auf den Weg der Privatversicherung verwiesen.

Durch den Sturz der Regierung Kurz sind diese Pläne einer genaueren kritischen Betrachtung entzogen worden. Sie weisen aber auf etwas hin, was jetzt schon Journalisten wie Claus Pándi von der "Krone" für hinterfragenswert halten: Was genau ist eigentlich so groß "weitergegangen" in dieser türkis-blauen "Reformregierung", dass bürgerliche Menschen so begeistert sind?

Es wird noch Gelegenheit geben, das genauer zu analysieren, aber selbst wenn man in Rechnung stellt, dass der türkis-blauen Koalition keine allzu lange Zeit des Wirkens beschieden war, so muss man doch fragen, was an wirklichen Strukturreformen jenseits von Slogans wie "ein neuer Weg" und "Veränderung" eigentlich geschehen ist.

Der Rechnungshof unter Margit Kraker hat sich als nüchterne De-facto-Überprüferin der türkis-blauen (vor allem der türkisen) Propagandamaschine erwiesen. Die SPÖ hat jedoch den Fehler gemacht, den Rechnungshof und Kraker anzugreifen. Dieser sei "parteipolitisch besetzt" und dürfe daher nicht die Parteifinanzen prüfen. Jetzt wird das wohl der Staatsanwalt tun. (Hans Rauscher, 16.7.2019)