Chefredaktionen und Journalistenschulen wünschen sich eine "buntere soziale Struktur" in den Redaktionen. Das ist das Ergebnis einer Befragung in Deutschland, Schweden und Großbritannien.

Männlich, weiß, ohne Migrationsgeschichte, aus einem bildungsbürgerlichen Haushalt stammend – das waren jahrzehntelang die Attribute eines durchschnittlichen Journalisten. Der Karriereweg gestaltet sich ohne Turbulenzen: Man blieb jahrelang beim gleichen Medium, war Print- oder Fernsehredakteur. Sogar das Thema, auf das man sich spezialisierte, blieb oft gleich. Von Flexibilität, dem größten Schlagwort der postmodernen Arbeitswelt, blieb der Journalist sehr lange verschont.

Seit einiger Zeit wollen Medienhäuser mehr Diversität in den Redaktionen. An der Themenauswahl, der Recherche und der Gestaltung des medialen Diskurses sollen nun auch Migranten, Menschen mit Migrationshintergrund und aus Arbeiterfamilien beteiligt sein. So eine Zusammensetzung soll frischen Wind in die Redaktionsstuben bringen. In Zeiten von sozialen Medien und immer und überall verfügbaren Informationen wollen die Medienkonsumenten "authentische Geschichten", die sie "abholen". Der Migrationshintergrund macht niemanden zu einem besseren Journalisten, aber der Perspektivenwechsel und die etwas andere Sicht auf die Welt bringen originellere und kontroverse Zugänge. Das wiederum bringt mehr Seher oder Leser. Diversität ist also ökonomisch und demokratiepolitisch sinnvoll.

Krise des Journalismus

Doch so richtig klappt es mit der "medialen Integration" nicht. Woran liegt es, dass trotz guten Willens auf beiden Seiten noch immer vor allem Angehörige der Ober- und Mittelschicht den Weg in den Beruf finden? Sprachkenntnisse sollen in Schweden und Deutschland ein Hindernis sein, sagt die Umfrage. Diese und andere Erkenntnisse aus der Umfrage zeigen aber lediglich die Perspektive aus den Chefetagen der Medienhäuser auf die Gesellschaft und die Berufsanfänger.

Medienhäuser wünschen sich mehr Vielfalt in den Redaktionen.
Foto: APA/AFP/FEDERICO PARRA

Die wahren Gründe liegen anderswo. Der Wunsch nach einer Öffnung des journalistischen Berufs erfolgte gleichzeitig mit der multiplen Krise des Journalismus. Zeitgleich mit dem Einbruch der Leserzahlen und der Einnahmen kam auch die Glaubwürdigkeitskrise. Die Krise machte den Journalismus zu einer Branche mit prekären Arbeitsverhältnissen. Reichte früher vielleicht die Empfehlung eines Bekannten oder eine Lehrredaktion, sind es jetzt unzählige unbezahlte Praktika, die Anfänger absolvieren müssen. Diese führen aber auch nicht zur fixen Anstellung. Junge Journalisten arbeiten als "Freie" für kleine Honorare und mit unvorhersehbarer Auftragslage.

Den Einstieg in den Journalismus muss man sich leisten können. Arbeiterkinder, die in Ländern wie Schweden, Deutschland und Österreich gleichzeitig oft auch Migrantenkinder sind, können das eben nicht. Ihnen fehlen schlicht oft die finanziellen Mittel und das soziale Kapital, um im Journalismus Fuß zu fassen. Ist der Bildungsaufstieg einmal gelungen, muss ein gesichertes Einkommen her. Unterstützung von den Eltern, Eigentumswohnungen oder ähnliche Erleichterungen, die vorübergehend prekäres Arbeiten leistbar machen, fallen hier weg.

Will man die Redaktionen diverser machen, muss man gezielt, strukturiert und vorurteilsfrei Talente suchen. Und dann muss man sie auch ordentlich bezahlen. (Olivera Stajić, 17.7.2019)