Im September versucht Alitalia neu durchzustarten. Derzeit verbrennt der Konzern eine halbe Million Euro pro Tag.

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Man kann nicht behaupten, dass sich die Investoren um Alitalia gerissen hätten: Bei den drei staatlichen Sonderkommissaren, die mehr als zwei Jahre lang nach möglichen weißen Rittern für die Airline Ausschau gehalten hatten, haben sich nur Claudio Lotito, Präsident des Römer Fußballklubs SS Lazio, die kolumbianische Airline Avianca und der Unternehmer Carlo Toto aus den Abruzzen gemeldet.

Lotito ist bekannt dafür, Spielerlöhne mit Verspätung auszubezahlen. Avianca hat gerade in Brasilien Konkurs angemeldet und steht in Argentinien vor einer Restrukturierung, und Toto war vor einigen Jahren selbst mit seiner Air One gescheitert. Alles in allem nicht gerade die Crème de la Crème der internationalen Airline-Investoren.

Rückzieher von Lufthansa und Co

Ernsthaftere mögliche Retter wie die Lufthansa, Easyjet und Ryanair hatten nach einem Blick in die Bilanzen und in die Streikgeschichte des Alitalia-Personals schon frühzeitig zum Rückzug geblasen. In ihrer Not verfielen Wirtschaftsminister Luigi Di Maio und Verkehrsminister Danilo Toninelli (beides Vertreter der Fünf-Sterne-Protestbewegung) im Oktober 2018 auf die Idee, die staatlichen Eisenbahnen (Ferrovie dello Stato) zu einem Einstieg bei der maroden Airline zu drängen.

Das tönte wie ein Witz, aber die Eisenbahn war danach federführend bei der Käufersuche. Als Erstes setzte sich der US-Flugriese Delta an den Tisch. Und in den letzten Tagen reichte auch der von der Benetton-Familie kontrollierte Infrastrukturkonzern Atlantia ein Angebot ein.

Neues Konsortium

Das neue Konsortium, das der Alitalia nun ein Abheben in eine bessere Zukunft ermöglichen will, steht somit fest: Laut einer Mitteilung der Ferrovie dello Stato werden die Staatsbahn und Atlantia künftig je 35 Prozent des Aktienkapitals halten, Delta übernimmt 15 Prozent, und der italienische Staat wird seinen vor zwei Jahren gewährten Brückenkredit von 900 Millionen Euro teilweise in Aktien umwandeln und so ebenfalls mit 15 Prozent beteiligt sein. Weil sich die Ferrovie dello Stato zu 100 Prozent im Besitz des italienischen Staates befinden und Atlantia von staatlichen Konzessionen abhängig ist, wird der Einfluss des Staates in der neuen Alitalia allgegenwärtig sein. Faktisch entspricht die Lösung einer erneuten Verstaatlichung der privatisierten ehemaligen Staatsairline.

Risiko für Steuerzahler

Delta und die Atlantia-Holding, die auch den Römer Flughafen betreibt, verfügen, zumindest theoretisch, über das nötige Know-how, um die Alitalia wieder auf Kurs zu bringen. Dennoch ist die Alitalia-Sanierung ein Krampf, bei dem nicht nur die Steuerzahler, sondern möglicherweise auch die Bahnbenützer die Zeche zahlen werden: Auf der Strecke Rom- Mailand, auf der Ferrovie dello Stato ihre Frecciarossa-Hochgeschwindigkeitszüge einsetzen, wird die neue Gesellschaft künftig beinahe über ein Monopol verfügen. Außerdem besteht die große Gefahr, dass zum Ausgleich eventueller künftiger Verluste der neuen Alitalia auf Kredite für die Regionalzüge zurückgegriffen wird.

Unfreiwillig ist auch die Beteiligung der Atlantia: Die Benetton-Holding kontrolliert den Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia, der von der Regierung beschuldigt wird, durch mangelnden Unterhalt im August 2018 den Einsturz der Morandi-Brücke in Genua verursacht zu haben.

Wie der neue Businessplan für die Alitalia aussehen wird und wie viele der 11.500 Mitarbeiter den Job verlieren werden, ist noch unbekannt. Derzeit verbrennt Alitalia etwa eine halbe Million Euro pro Tag; bei jedem verkauften Ticket legt die Airline 16 Euro drauf. (Dominik Straub aus Rom, 16.7.2019)