Die Szene löst Unbehagen aus, und dennoch kann man nicht genau erklären, warum. Seit einigen Monaten kursiert in sozialen Netzwerken ein Video, das vermeintliches Bullying an einem extrem fortschrittlichen und menschenähnlichen Roboter des US-Robotikunternehmens Boston Dynamics (BD) zeigt. Er wird angerempelt, mit Bällen beworfen, von hinten mit einem Hockeyschläger und einem Klappsessel niedergeschlagen.

Die Dystopie zurückschlagender Roboter.
Corridor

"Das werden wir noch bereuen", heißt es scherzhaft in Kommentaren, Retweets und Shares des Videos. "Die Robotergerichte der Zukunft werden das noch gegen uns verwenden." BD ist bekannt für seine flinken Roboter, die in ihrem Bewegungsablauf Menschen und Hunden frappierend ähneln. Das aktuelle Video ist aber tatsächlich ein unheimlich gut gemachter Fake des kleinen US-Produktionsstudios Corridor Digital, das seit 2010 für die Erstellung popkulturbezogener viraler Online-Kurzvideos bekannt ist.

Wie lange wird es noch legitim sein, dem Hund mehr Rechte zuzusprechen als dem Roboter?
Raja That!

Für das Video haben sie einen echten Mitarbeiter im Roboterkostüm mit Bällen beworfen, herumgestoßen und geschlagen. Anschließend wurde mittels aufwendiger CGI-Technologie sein Körper entfernt und durch den BD-Roboter ersetzt. Das macht die moralische Frage etwas leichter. Der Kollege hatte sich hoffentlich freiwillig gemeldet und war sich der Folgen bewusst. Ob aber der Roboter auch unser Mitgefühl, arbeitsrechtlichen Schutz und moralischen Beistand verdient hätte, ist weit schwieriger zu beantworten.

Es menschelt

"Bis zu einem gewissen Grad bringt mehr Menschenähnlichkeit mehr Sympathie", sagt die Roboterpsychologin Martina Mara im STANDARD-Podcast. Werden Roboter uns aber zu ähnlich, stelle sich ein gewisser Gruseleffekt ein – etwa bei der mit Gel-Haut und Kunsthaar präparierten Sophia von Hanson Robotics. Sie erhielt 2017 als erster Roboter gewisse Rechte durch die Verleihung einer Staatsbürgerschaft – zynischerweise jener von Saudi-Arabien, wo Menschenrechte mitunter mit der Knochensäge ramponiert werden.

Auch das EU-Parlament schlug 2017 vor, Roboter dank "elektronischer Persönlichkeiten" zu juristischen Personen zu machen. Sie sollten dadurch nicht heiraten dürfen oder Ähnliches. Vielmehr ging es darum, sie etwa Gesellschaften gleichzustellen, wodurch sie versichert werden könnten für den Fall, dass sie Personen verletzen oder Sachschäden anrichten. Kritiker warnten, dass die Erschaffer von Robotern damit nur ihre Verantwortung abgeben wollen würden. Zudem würden Roboter wie Sophia oft falsche Vorstellungen vom Fortschritt der Robotik erzeugen.

Die Frage der Haftung für eine von einem Algorithmus autonom getroffene Entscheidung bleibt dennoch. Momentan ist es meist eine Streitfrage zwischen Entwickler und Besitzer.

Die Vermenschlichung von Robotern wird durch popkulturelle Videos mit geskripteten oder programmierten Gesprächen, aber auch durch menschliche Züge bekräftigt.
Will Smith

Mensch-Maschine

Wie solche Roboterrechte aussehen könnten, zeigt auf teils obskure Weise die US Transhumanist Party. Sie lobbyiert bei politischen Entscheidungsträgern, ob Vereinte Nationen oder US-Parlament, immer wieder für ihre Verfassung, ihre transhumanistische "Bill of Rights". In ihr findet sich etwa eine Kategorisierung von sieben Stufen empfindungsfähiger Wesen – von Steinen bis zur globalen Erkenntnis, die alles derzeit menschlich Erdenkbare übersteigt. Die Transhumanisten fordern darin nicht nur das Recht auf Leben für alle empfindungsfähigen Lebewesen, sondern auch ein freies Recht auf Fortpflanzung, ein Ende unfreiwilligen Leides für Roboter und ein bedingungsloses Grundeinkommen für Menschen ob der rasanten Übernahme von Jobs durch Roboter.

Der Blogger Mark Fischel gibt bei der Verleihung von Rechten an Roboter zu bedenken, dass das dafür meist geforderte Bewusstsein, der eigene Wille und die Rationalität im Falle von Robotern sehr wohl eines Tages eintreten könnten – auch weil Menschen diese Trennlinien durchaus variabel ziehen. So würde man manchen Menschenaffen Bewusstsein ab-, aber Säuglingen zusprechen, Robotern schon heute autonome Lösungswege ermöglichen und sie wie Kinder rational unterrichten, sprich programmieren können. Fischel sagt, dass es auch bei Tieren lang gedauert habe, bis man vom reinen Nutzgedanken wegkam und ihnen gewisse Rechte zusicherte. Anders als Lebewesen hätten Roboter zwar keine biologischen Reaktionen, rudimentäre Schmerzgefühle seien aber nicht nur programmierbar, sondern könnten sich künftig autonom entwickeln – etwa automatisches Zurückziehen bei Hitze, um Schäden zu vermeiden.

Auch die zunehmende Verschmelzung von Mensch und Maschine – durch bionische Arme, stimulierte Gehirne, künstliche Organe – bereitet Ethikern Kopfzerbrechen. Wenn der Unterschied zwischen roboterähnlichen Menschen und menschenähnlichen Robotern immer weiter schrumpft, sollen sie dann gleiche Rechte haben? Oder, anders gefragt: Ist es Mord, einen solchen Roboter abzuschalten? (Fabian Sommavilla, 18.7.2019)