5G schürt Ängste.

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Die "Strahlenangst" geht um. Der nächste Mobilfunkstandard 5G verspricht höhere Bandbreiten, bessere Latenzen und damit auch viele neue Anwendungsfelder. Allerdings wird immer wieder vor Gesundheitsrisiken gewarnt. Dramatische Meldungen ziehen ihre Kreise in den sozialen Medien.

Diese Phänomen ist auch den heimischen Mobilfunkern nicht verborgen geblieben. Sie sehen sich regelmäßig mit Anfragen von Nutzern konfrontiert, die 5G gegenüber skeptisch bis ängstlich eingestellt sind, berichten sie dem STANDARD.

Traditionelle Skepsis

Doch der Reihe nach. Die Frage, ob und wie gefährlich die elektromagnetische Strahlung im Mobilfunk ist, beschäftigt die österreichische Öffentlichkeit schon seit Jahrzehnten. Breit thematisiert wurde sie etwa gegen Ende des letzten Jahrzehnts, als der flächendeckende Ausbau mit 3G-Versorgung in vollem Gange war.

Zu hoher Bekanntheit brachte es dabei eine im Jänner 2008 veröffentlichte Studie des Salzburger Mediziners Gerd Oberfeld. Er befasste sich mit gehäuften Krebsfällen im Raum Vasoldsberg/Hausmannstätten südöstlich von Graz. Dort soll es im Umfeld einer Station für das damalige C-Netz in den Jahren von 1984 bis 1997 zu überdurchschnittlich vielen Krebsfällen gekommen sein, die Oberfeld mit der Sendeanlage in Verbindung brachte. Es folgte eine breite Berichterstattung über mögliche Krebsgefahr durch Handymasten.

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Der 5G-Ausbau hat begonnen – begleitet von einiger Panikmache.
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Zurückgezogene Studie als Dauerbrenner

Allerdings stellte sich bald darauf heraus, dass an diesem Standort nie ein C-Netz-Mast installiert war. Oberfeld hatte sich bei der Verortung der Anlage auf die Auskunft eines ehemaligen Postangestellten berufen. Erst 1994 wurde für sechs Monate testweise ein D-Netz-Sender betrieben. Die Mobilkom Austria (heute A1) prozessierte gegen die Studie und legte eine Satellitenaufnahme, eidesstattliche Zeitzeugenaussagen und historische Daten der einstigen Post- und Telegraphendirektion vor.

Oberfeld hielt zunächst an seiner Untersuchung fest. Vor dem zweiten Verhandlungstag im November 2008 zog er sie schließlich zurück, kündigte aber auf "Heise" eine "Anpassung" der Studie an. Dennoch wird die Studie bis heute immer wieder im Zusammenhang mit "Strahlengefahr", auch im Bezug auf 5G, zitiert.

Die Mär vom 5G-Vogelsterben

Während es rund um die Einführung von 4G/LTE relativ ruhig war, stößt 5G auf deutlich mehr Skepsis. Während die Ärztekammer mehr Untersuchungen fordert und für das Vorsorgeprinzip plädiert, schüren andere Akteure Angst mit Horrorgeschichten.

Große Wellen schlug etwa ein Bericht über mehr als 300 Vögel, die im vergangenen Herbst während eines 5G-Tests im niederländischen Den Haag ums Leben gekommen sein sollen. Dies war allerdings schlicht falsch. Im Verlauf mehrerer Tage starben tatsächlich viele Stare im Umkreis eines Parks, zum fraglichen Zeitpunkt gab es dort allerdings keinen 5G-Test. Seitens der Behörden vermutete man Gift an einer Futterstelle.

Unerwarteter "Besorgnishype"

Auch andere Schauermärchen machten und machen immer wieder die Runde. So hält sich auch der Mythos, dass wegen 5G-Masten ganze Wälder abgeholzt werden müssten oder Kirchen einsturzgefährdet seien. "Inhaltlich sehen wir eine Auswirkung von 'Verschwörungstheorien‘, die zu oft für bare Münze genommen werden und in den sozialen Medien einfache und schnelle Verbreitung finden", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von A1, Magenta und "3" über ihren Interessenverband Forum Mobilkommunikation (FMK). Diese Theorien träfen "bei besorgten Personen einen empfindlichen Nerv". Es herrsche außerdem Angst vor einem "Mastenwald" mit Sendern "auf jedem zweiten Haus".

"In dieser Form war der Besorgnishype nicht zu erwarten", heißt es weiter. Mittlerweile habe sich das Aufkommen entsprechender Anfragen stabilisiert. Man schätzt grob, dass sich etwa jede zehnte Anfrage um 5G-Sorgen drehe, wobei Medienberichte und Veranstaltungen zum Thema das Aufkommen fluktuieren lassen.

RT America

RT-Beitrag brachte 5G-Angst ins Rollen

Aus der Branche hört man, dass vor allem ein international verbreiteter Bericht des Kreml-Senders RT (vormals "Russia Today") auch im deutschsprachigen Raum die neue "Strahlenangst" beflügelt habe. "Gibt es einen Haken (bei 5G, Anm.)?", fragt darin Moderator Rick Sanchez seine Korrespondentin einleitend. "Es gibt einen, aber es ist nur ein kleiner", erwidert diese. "Es könnte Sie töten."

Zahlreiche Verschwörungsportale – von Kla TV bis Epoch Times – griffen das Thema dankbar auf. Teilweise wird 5G in viralen Videos als "Gefahr für Leib und Leben" und die Errichtung der Netze als "Ausrottungsereignis" bezeichnet. Der Mobilfunkstrahlung werden dabei auch diverse andere Folgen angedichtet, von toten Bienen bis hin zu neurologischen Schäden bei Neugeborenen.

Belege für Gefahren fehlen

Die Faktenlage spricht freilich gegen solche drastischen Auswirkungen. Die Risiken von 5G sind nicht größer als jene für Mobilfunk im Allgemeinen. An der Funktechnologie an sich ändert sich abseits der genutzten Frequenzen kaum etwas – handelt sich bei 5G doch primär um ein neues Übertragungsprotokoll. Und auch wenn es tatsächlich vor allem im urbanen Bereich aufgrund der höheren Frequenzen deutlich mehr Sender geben wird, fallen diese dafür kleiner und leistungsärmer aus. Laut Untersuchungen des deutschen Messlabors Testlab – es gehört zur Telekommunikations-Zeitschrift "Connect" – wird damit die Strahlenbelastung sogar sinken.

Beim deutschen Bundesamt für Strahlenschutz ist man sich ob der Auswirkungen auf die Strahlenbelastung nicht ganz sicher. Man weist gegenüber dem SWR aber darauf hin, dass die vom Mobilfunk genutzten Frequenzbereiche "relativ gut erforscht" seien und es bislang keinen wissenschaftlichen Beleg für negative gesundheitliche Auswirkungen gebe.

Kein Anstieg bei Gehirntumorfällen

Einige Aufmerksamkeit hat auch die Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation WHO auf sich gezogen, die hochfrequente elektromagnetische Strahlung vor einigen Jahren als möglicherweise krebserregend einstufte. Was oft nicht dazugesagt wird: Es wurde in die Gefährdungsgruppe 2B eingeordnet, in der sich Stoffe und Faktoren finden, deren Krebsrisiko als noch nicht vollständig ausgeräumt angesehen wird, wo man aber davon ausgeht, dass eine kanzerogene Wirkung "nicht wahrscheinlich" ist. Ebenso dort zu finden: Aloe-Vera-Extrakt und Kokosnussöl.

Ebenfalls keinen Hinweis auf erhöhte Gefahr für Gehirntumore liefern Daten der Statistik Austria. Seit 1994, als erstmals flächendeckend GSM-Mobilfunk in Österreich eingeführt wurde, liegt die Inzidenz relativ stabil bei acht bis neun Fällen pro hunderttausend Einwohnern.

Die Skepsis schlägt nicht nur Wellen im Netz, sondern hat auch konkrete Auswirkungen, sagen die Netzbetreiber. Mitunter werden Beschwerden nämlich an "Politiker aller Ebenen" gerichtet. Dadurch kommt es unter anderem zu Bauverzögerungen.

FMK Forum Mobilkommunikation

"Bodenständigkeit" gegen Fake-News

Doch wie gehen die Mobilfunker mit der 5G-Angst um? Zurückhaltend. Das Forum Mobilkommunikation hat neben Entgegnungen und Faktenchecks kurze Aufklärungsvideos produziert. Darin tritt der "Petutschnig Hons" auf, eine Kunstfigur des Kärntner Künstlers Wolfgang Feistritzer. In "bodenständiger" Manier versucht er, gängige Mythen zum Thema zu entkräften. Man hofft, dass auf diesem Wege ein "emotionaler Aufruf an den Hausverstand" gelingt.

Die Videos kommuniziert man allerdings nur reaktiv. Statt sie etwa auf sozialen Medien selbst ins Rampenlicht zu stellen, nutzt man sie, um auf skeptische und besorgte Postings zu reagieren. Ebenfalls im Videoformat gibt es Experteninterviews. Im Herbst will man in den Bundesländern zudem Informationsveranstaltungen für Behördenvertreter abhalten, die mit dem 5G-Ausbau befasst sind.

FMK Forum Mobilkommunikation

Auch in den USA geht die 5G-Angst um

Der neue Mobilfunkstandard stößt aber nicht nur in Zentraleuropa auf besorgte Reaktionen. In den USA gibt es eine Art Gegenstück zur Oberfeld-Studie. Damals warnte im Jahr 2000 der Arzt Bill Curry vor Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Strahlung, als ihn die Bezirksverwaltung von Broward County (Florida) um eine Einschätzung ersuchte. Die Absorption von Mikrowellen im menschlichen Gehirn könne Tumore hervorrufen, hieß es.

Allerdings liegen der Studie methodische Schwächen zugrunde, schreibt die "New York Times". Curry untersuchte isoliertes Zellgewebe im Labor und leitete daraus Auswirkungen auf tiefliegendes Körpergewebe ab. Allerdings beachtete er nicht, dass die menschliche Haut als Barriere fungiert, die die inneren Organe vor hochfrequenter Strahlung schützt – sowohl bei Sonnenlicht als auch bei Radiowellen.

Dauerbrenner

Deswegen wird die Untersuchung von Fachexperten kritisiert, etwa von Christopher Collins von der New York University, der dort die Auswirkungen hochfrequenter Strahlung auf Menschen erforscht. Ihm springt auch Marvin Ziskin von der Temple University School of Medicine zur Seite. In vielen Experimenten hätte sich mittlerweile gezeigt, dass hochfrequente Radiowellen sicher seien, sagt er.

Der Schaden war allerdings schon kurz nach der Veröffentlichung angerichtet. Currys Report zog alarmistische Schlagzeilen nach sich. Wie die Untersuchung von Oberfeld wird sie bis heute erwähnt.

Gerne zitiert – etwa im schon erwähnten Beitrag von RT – wird auch David Carpenter, der in Sachen Gesundheitsrisiken von elektromagnetischer Strahlung seit Jahrzehnten in Konflikt mit vielen Fachkollegen steht. In den 1980ern stellte er die These auf, dass Hochspannungsleitungen bei in deren Nähe lebenden Kindern Leukämie auslösen könnten. Bis heute konnten Forscher dafür keinen Nachweis finden. In späteren Stellungnahmen zu den Gefahren von Mobilfunkstrahlung stützte sich Carpenter auch mehrfach auf Currys Untersuchungen.

Funkstrahlung wohl keine Gefahr für DNA

David Grimes, Krebsexperte an der University of Oxford, verweist in einem Beitrag im "Guardian" auf die Entwicklung bei Krebserkrankungen. Entgegen allen Behauptungen gab es keinen Anstieg bei der Inzidenz von Gehirntumoren. Und das, obwohl der Anteil der US-Haushalte mit zumindest einem Mobiltelefon von 1992 rapide angestiegen ist und seit 2008 bei nahezu 100 Prozent liegt.

Sucht man nach erwiesenen Gefahren, wird man bei hochfrequentem Licht fündig. Dabei handelt es sich um sogenannte "ionisierende Strahlung", die genug Energie transportiert, um chemische Verbindungen zu brechen und etwa der menschlichen DNA zu schaden. Beispiele dafür wären etwa Röntgenstrahlen oder UV-Licht. Funkstrahlung hingegen ist nicht ionisierend und energiearm, weswegen es aus wissenschaftlicher Sicht als ausgesprochen unwahrscheinlich angesehen wird, dass sie Krebs hervorrufen kann.

Vorsicht vor Beweislastumkehr

Grimes kritisiert explizit auch das Vorgehen von vielen 5G-Gegnern. Obwohl es laut aktuellem Forschungsstand keinen Grund zur Annahme einer Krebsgefahr gibt, würden diese Gegner weiterhin Mobilfunk nicht als sicher anerkennen und "endgültige Beweise" fordern – und damit versuchen, die eigentlich bei ihnen liegende Beweislast abzuschieben.

Diese Art der Argumentation sei gefährlich. Angsteinflößende Geschichten seien natürlich verlockender zu lesen als wissenschaftliche Fakten. Doch wenn der Aberglaube die Forschung übertönt, kann das mitunter Menschenleben kosten, wie bereits zahlreiche Fälle von Kindern zeigen, die dank notorischer "Impfgegner" in den letzten Jahren an nahezu ausgerottet geglaubten Krankheiten verstorben sind. (Georg Pichler, 23.07.2019)