In Schweden gilt das Rauchverbot seit Juli nicht nur in Gaststätten, sondern auch auf öffentlichen Plätzen, Bushaltestellen oder Bahnsteigen. Keine gute Idee, findet der freie Journalist Nico Hoppe im Gastkommentar.

Die zunehmenden Rauchverbote widersprechen dem Gedanken einer freien, bürgerlichen Öffentlichkeit von Grund auf. Wer Innenstädte und öffentliche Plätze zu restriktiv erzwungenen Wohlfühlgehegen ummodeln möchte, vergisst die Vorzüge einer anonymen, zivilisierten Öffentlichkeit, die persönliche Freiheiten noch tolerierte.

Die Tage, an denen Hinweisschildchen und Werbeverbote von Tabakwaren als alleinige Mittel zur Prävention dienten, sind gezählt: Anfang Juli verbot Schweden das Rauchen in den Außenbereichen vor Restaurants, Kneipen, Cafés, Einkaufszentren, Bahnsteigen und Bushaltestellen. Das sozialdemokratisch regierte Land scheint dabei nur Vorreiter einer verallgemeinerbaren europäischen Entwicklung zu sein. Denn auch in Paris wurde Anfang Juni das Rauchen in zahlreichen Parks verboten, in Österreich kürzlich das Rauchen in Gaststätten, in Deutschland diskutiert man nach einem Vorschlag der FDP-Fraktion über den Vorbildcharakter der schwedischen Maßnahme.

Rauchfreies Schweden

Noch setzt man sich keine so hehren Ziele wie die schwedische Ministerpräsidentin, die verlauten ließ, dass Schweden bis zum Jahr 2025 rauchfrei sein werde. Aber der Unmut gegenüber Menschen, die es wagen, nicht nur in den eigenen vier Wänden zu paffen, scheint zu wachsen. Zu fragen wäre also nicht nur, wie Rechtsstaaten darauf kommen, so massiv in das individuelle Handeln ihrer Bürger einzugreifen, sondern auch, warum eine Vielzahl von Menschen ein Problem mit dem Genuss der anderen hat.

Immerhin – privates Rauchen, im eigenen Garten etwa, steht vorerst nicht im Fokus der Empörung. Problematisch solle das Rauchen an gewissen öffentlichen Orten aber sein, weil es zwangsläufig andere Menschen störe und sie dem schädlichen Qualm aussetze. Ein Verbot, so der Tenor, sorge letztlich nicht für Unfreiheit, sondern für mehr Freiheit – jene der Nichtraucher.

Mit Kaffee und Tschick im Mund protestiert Aktivist Niklas Qvarnström gegen das Outdoor-Rauchverbot in Schweden.
Foto: APA/AFP/TT/Krister Hansson

Kein persönlicher Rückzugsort

Unterschlagen wird dabei jedoch, dass öffentliche Plätze nie Orte des persönlichen Rückzugs, und damit Pendants zur Sphäre des Privaten waren, an denen man mit Fug und Recht einfordern könnte, von den Macken und Angewohnheiten fremder Menschen verschont zu bleiben.

Gerade im Charakter der Öffentlichkeit als Raum verschiedener, anonymer Individuen, die sich miteinander ins Benehmen zu setzen haben, lag stets ein zivilisatorisches Moment. Eben weil in gesitteten Verhältnissen kein Zwang zu der Unmöglichkeit herrscht, auf alle Befindlichkeiten und Wehwehchen anderer achtzugeben, ist ein lockerer Umgang freier Menschen überhaupt erst möglich: Tugenden wie Höflichkeit und Anstand nehmen nur dort einen Rang ein, wo mündige Personen freiwillig nach ihnen handeln. Sobald Verbote und staatliche Anordnungen den öffentlichen Umgang bis in persönlichste Gepflogenheiten kontrollieren, bekommt jede Geste der Höflichkeit einen erzwungenen, krampfhaften Charakter, der den Unmut allerseits nur steigern dürfte. Zivilisiertes Handeln allerdings ist freiwillig und zieht seine Kraft auch aus der Möglichkeit des Unterlassens, also konkret der Möglichkeit, fremden Menschen mit als unangenehm wahrgenommenen Marotten schlicht aus dem Weg zu gehen.

Entmündigte Bürger

Anstatt jedoch die Vorzüge einer anonymen, bürgerlich-zivilisierten Öffentlichkeit zu nutzen und sich zwei Meter weiter weg zu stellen, rufen die Verfechter eines umfassenderen Rauchverbots im Namen der Volksgesundheit nach Vater Staat, der den qualmenden Schädlingen möglichst schnell Feuerzeug und Kippen entreißen soll. Dabei entmündigt nicht nur ein Staat, der seinen Bürgern nicht zutraut, ganz gut selbst entscheiden zu können, wo sie ihre angeblichen Laster pflegen: Einer regelrechten Selbstinfantilisierung kommt es gleich, wenn erwachsene, also zumindest potenziell vernünftige Personen sich nicht imstande sehen, Abstand zu halten von denen, die unter freiem Himmel an einer Zigarette ziehen.

Es drängt sich aber die Frage auf, woher der paranoide Glaube vieler Menschen herrührt, sich dem Lungenkrebs nah zu fühlen, sobald eine Rauchschwade ihr Gesichtsfeld streift. Entgegen einem weitverbreiteten Gesundheitswahn sollte bedacht werden, dass die anregendsten Vergnügungen selten sterile, die Gesundheit fördernde Leibesertüchtigungen sind. Im Gegenteil: Das Rauchen gehört wohl zu den heitersten und sozialsten aller gesundheitsschädlichen Praktiken der Moderne. Zumindest dürfte es kaum ein Laster geben, dem regelmäßig so viele Leute gemeinsam frönen, indem sie sich, teils vollkommen fremd untereinander, unterhalten und dabei einen positiv-dekadenten Gegenpol zum Nebeneinander gelangweilter Großstadtmonaden bilden.

Eine Gesellschaft, die dem ohnehin kleineren Prozentsatz an Rauchern ihre Freiheit lässt, würde demnach sicher nicht an Qualität einbüßen – eine zivilisierte Öffentlichkeit bei Rauchverboten hingegen schon. (Nico Hoppe, 18.7.2019)