Ein Motorradtaxifahrer lässt seine Hände bei einer Ebola-Screening-Station auf einer in die Grenzstadt Goma führenden Straße reinigen.

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Nach langem Zögern hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Mittwochabend die seit einem Jahr in der Demokratischen Republik Kongo kursierende Ebola-Epidemie zu einem "medizinischen Notfall mit internationaler Bedeutung" erklärt. Zuvor hatte sich die Gesundheitsbehörde mehrmals gegen einen solchen Schritt entschieden – aus Furcht, mögliche Konsequenzen wie die Schließung der Landesgrenzen und die Unterbrechung des Flugverkehrs könnten die Not der örtlichen Bevölkerung noch weiter verschlimmern.

Es ist erst das vierte Mal seit der Einführung neuer WHO-Regeln im Jahr 2005, dass sich die Behörde zu einer derartigen Entscheidung gezwungen sieht (siehe Wissen unten). Es sei höchste Zeit, dass die Welt der Lage im Nordosten des Kongos größere Bedeutung zukommen lasse, begründete WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus den Schritt: Ein Jahr nach Ausbruch der Epidemie wachse die Gefahr, dass sich die Seuche noch weiter ausbreite, auch auf Nachbarstaaten.

Geringe Gefahr für den Rest der Welt

Gleichzeitig warnte Tedros vor übertriebenen Vorsichtsmaßnahmen: Die Schließung von Grenzen und die Beeinträchtigung des Flugverkehrs hätten "verheerende Auswirkungen" auf die Bevölkerung – wie bei der westafrikanischen Ebola-Epidemie vor fünf Jahren festgestellt worden sei. Das Risiko einer Ausbreitung der Seuche sei für den Kongo und die ostafrikanische Region "sehr hoch", fügte der WHO-Chef hinzu: Die Gefahr, dass die Epidemie auch auf andere Teile der Welt übergreife, allerdings "gering".

Unter Hilfsorganisationen wurde die WHO-Entscheidung begrüßt: "Wir hoffen, dass diese Krise nun die weltweite Beachtung findet, die sie verdient", heißt es in einer Erklärung der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Im Seuchengebiet tätige NGOs hoffen, dass nun weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden: Die WHO klagt darüber, dass von den fast 100 Millionen US-Dollar, um die sie für ihren Kampf gegen das Virus gebeten hatte, bisher nicht einmal die Hälfte zugesagt worden sei.

Virus erreicht Großstadt

Auslöser des neuen WHO-Kurses war der Anfang der Woche gemeldete Tod eines Pastors in der kongolesischen Millionenstadt Goma, der sich bei der Beerdigung eines Ebola-Infizierten angesteckt haben soll. Dass das Virus auf die Großstadt übergreifen würde, fürchteten Experten schon lange: Da Goma direkt an der Grenze zu Ruanda liegt, gilt auch eine Ausbreitung der Epidemie auf den dichtbesiedelten Kleinstaat als nicht mehr ausgeschlossen.

Auch aus Uganda wurden in den vergangenen Wochen mehrere Ebola-Fälle gemeldet. Doch das Virus scheint dort unter Kontrolle gebracht worden zu sein. Experten fürchten vor allem, dass die Seuche auf den Südsudan übergreifen könnte: Das dortige Gesundheitssystem gilt wegen des Bürgerkriegs als völlig desolat.

Mit mehr als 2.500 Infizierten und fast 1.700 Toten ist die gegenwärtige Ebola-Epidemie im Kongo die zweitschlimmste der Geschichte: Nur in Westafrika tobte das Virus verheerender – mehr als 11.000 Menschen starben.

Kein Vertrauen in Impfung

Dass die in- und ausländischen Seuchenbekämpfer den Erreger partout nicht unter Kontrolle bringen, liegt vor allem am Misstrauen der Bevölkerung, die bereits seit Jahrzehnten in bürgerkriegsähnlichen Zuständen lebt: Dabei stehen zahllose Rebellenorganisationen und eine undisziplinierte kongolesische Armee einander gegenüber. Viele Ostkongolesen sind überzeugt davon, dass das Virus eine Erfindung der verhassten Regierung ist oder gar absichtlich von ihr verbreitet wurde. Allein heuer wurden 200 Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und Seuchenbekämpfer registriert, die als Handlanger der Regierung im fernen Kinshasa betrachtet werden.

Unter diesen Bedingungen hilft auch die als äußert wirksam geltende Impfung nicht viel: Viele glauben, dass das Virus auf diese Weise übertragen wird, und weigern sich geimpft zu werden.

"Die herkömmlichen Strategien scheitern in einer komplexen Krise wie im Kongo", meint Larry Gostin, Direktor des Washingtoner O'Neill Instituts: "Bislang ist es nicht gelungen, den Teufelskreis aus Krankheit, Gewalt und Misstrauen zu durchbrechen." (Johannes Dieterich, 18.7.2019)