Die türkis-blaue Koalition ist vorerst Geschichte, ein bekannter bürgerlicher Journalist liefert eine erste Bilanz in Buchform, bemerkenswert negativ.

Helmut Brandstätter, geboren 1955, war von 2010 bis 2018 Chefredakteur des bürgerlich-unabhängigen "Kurier", bis zuletzt Herausgeber dieser Zeitung. Nun geht das zu Ende, man spricht von einer Kandidatur für die Neos. Inzwischen hat er aber ein Buch geschrieben mit einem Titel, der wenig Gutes verheißt: "Kurz & Kickl – Ihr Spiel mit Hass und Angst".

Brandstätters These: "In Wirklichkeit war diese Regierung (Türkis-Blau, Anm.) der Beginn des Weges in eine autoritäre Republik." Wirklich ungewöhnlich dabei die Rollenverteilung in Brandstätters Einschätzung: "Herbert Kickl hatte die Strategie geplant und dabei Sebastian Kurz den Führersitz und damit den Anschein der Macht überlassen, solange dieser als Kanzler der Planung und den Aktionen Kickls folgte. Sicher ist: Sebastian Kurz wollte die Macht um jeden Preis, und er verstand es geschickt, damit zu hantieren, wenn auch ohne klare gesellschaftspolitische Überzeugung, was er mit dieser Macht anfangen soll."

Helmut Brandstätter war als Journalist immer bürgerlich-liberal und führte auch den "Kurier" so.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Die Charakterisierung der beiden Protagonisten wird so schon länger von liberalen Beobachtern getroffen: Kickl ist ein Feind der liberalen Demokratie; Kurz ist kein ausgesprochener Antidemokrat, kann aber mit gesellschaftlichem und politischem Pluralismus nicht viel anfangen.

Die These Brandstätters, dass Kurz nur eine Art Marionette Kickls (gewesen) sei, ist aber diskussionswürdig.

Auf Linie

Dennoch ist es interessant, sozusagen aus der Innensicht eines bürgerlichen Journalisten bestätigt zu bekommen, was auch andere mit der Kurz-Truppe erlebt haben, vielleicht nicht so krass: "Ein klares Ziel war die Schaffung einer der ÖVP noch freundlicheren Medienlandschaft. So hörte ich bald aus der Umgebung des Außenministers, jetzt müsse 'der "Kurier" auf Linie gebracht werden'. Ja, genau so war die Formulierung. Dann wurde es schon persönlicher. Ein anderes Statement wurde mir so nähergebracht: 'Du musst dich drei Schritte von Christian Konrad entfernen.'"

Konrad war Raiffeisen-Boss und Aufsichtsratspräsident des "Kurier" bis 2016. Aber, so Brandstätter: "Konrads Engagement für Flüchtlinge passte nicht in die türkise Strategie, und auch ein Zeitungsherausgeber, der die Flüchtlingswelle zwar als große Herausforderung sah, aber von seinen Überzeugungen her immer für menschliche Lösungen eintrat, war der ÖVP lästig."

Brandstätter stammt aus "altem" ÖVP-Milieu, als Journalist (u. a. beim ORF, bei n-tv und Puls TV) war er immer bürgerlich-liberal und führte auch den "Kurier" so. Was schwerer wog beim Chefredakteurswechsel im "Kurier", der Druck von Kurz oder die doch gegebenen Marktprobleme der Zeitung, ist schwer zu sagen.

Aber die Diagnose, dass Türkis mit kritischem Journalismus, auch wenn er bürgerlichen Hintergrund hat, nichts anfangen kann; und dass Türkis-Blau ausgesprochen autoritäre Tendenzen hatte, wird in diesem Buch durch einen klar bürgerlichen Journalisten (ein weiteres Mal) eindrucksvoll belegt. (Hans Rauscher, 20.7.2019)