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Luigi Patronaggio steht wegen seiner Arbeit als Staatsanwalt seit über 20 Jahren unter Polizeischutz. Zuletzt erhielt er mehrere anonyme Morddrohungen.

Foto: Reuters / Guglielmo Mangiapane

Carola Rackete hat Italien verlassen. Die deutsche Kapitänin brach laut Sea-Watch gen Heimat auf, nachdem sie am Donnerstag in Sizilien erneut von der Staatsanwaltschaft befragt worden war. Dabei ging es in erster Linie um den Vorwurf der Begünstigung der illegalen Einwanderung im Zuge ihrer Einfahrt mit der Sea-Watch 3 in den Hafen von Lampedusa, um 40 Flüchtlinge an Land zu bringen.

Chefankläger Luigi Patronaggio hatte zuvor wie angekündigt seine Beschwerde gegen die Freilassung Racketes aus der Untersuchungshaft eingereicht. Dennoch eignet sich der 60-Jährige denkbar schlecht dazu, einfach als Salvini-Fan abgetan zu werden. Patronaggio hatte vor einem Jahr auch ein Strafverfahren wegen Freiheitsberaubung gegen Innenminister Matteo Salvini eingeleitet, weil dieser ein Schiff der eigenen Küstenwache, die Diciotti, mit über 170 Flüchtlingen fast zwei Wochen lang vor dem Hafen von Catania blockiert hatte.

Mehrere Morddrohungen

Einige Monate später hat Patronaggio die Beschlagnahmung eines NGO-Schiffs angeordnet, weil er darin die einzige Möglichkeit sah, die von Salvini auf dem Schiff blockierten Flüchtlinge an Land gehen zu lassen.

Salvini und seine Anhänger haben noch vor kurzem Gift und Galle gegen Patronaggio gespuckt – der erhielt mehrere anonyme Morddrohungen. Salvini, der vom Prinzip der Gewaltenteilung nicht viel zu halten scheint, erklärte, dass sich Patronaggio wählen lassen solle, wenn er mit Entscheiden der Regierung und des Parlaments nicht einverstanden sei.

Darauf erwiderte der Staatsanwalt in einer parlamentarischen Anhörung zum Fall Rackete, dass es für die Justiz schwierig geworden sei, in einem derart aufgeheizten Klima noch Entscheide zu fällen, ohne Angst vor eigenen Fehlentscheiden zu haben.

Angst kennt Patronaggio normalerweise nicht: Er gilt als unerschrockener Ermittler, der sich in seiner langen Karriere schon mit unzähligen Mächtigen und auch mit der Mafia angelegt hat. Seine ersten Erfahrungen sammelte der ehemalige Postangestellte Anfang der 1990er-Jahre im Ermittler-Pool der beiden 1992 von der Cosa Nostra ermordeten Mafiajäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino in Palermo. Patronaggio lebt seit über zwanzig Jahren unter Polizeischutz.

Verständnis für Migranten

"Gerade in einer Grenzregion wie Agrigent, zu der auch Lampedusa gehört, muss man dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich bei den Migranten um Menschen handelt, die unter großem Leidensdruck ihr Land verlassen, um vor Krieg und Elend zu fliehen. Das sollte Grund genug sein, sie nicht als unsere Feinde zu betrachten", betonte Patronaggio.

In der Anhörung im Parlament hat der Staatsanwalt auch darauf hingewiesen, dass nur etwa ein Zehntel aller Migranten auf privaten Rettungsschiffen nach Italien gelangten und dass es deswegen unsinnig sei, wenn sich die Politik allein auf die NGOs einschieße. Seine Kritik an Salvini hindert Patronaggio aber nicht daran, auch gegen Flüchtlingsretter zu ermitteln, wenn er der Überzeugung ist, dass sie Gesetze verletzt haben. (Dominik Straub aus Rom, 19.7.2019)