Inspirationsquellen: Collage von Peter Kogler.

Universalmuseum Joanneum

Eigentlich bereitet der oberste Ausstellungsraum im Grazer Kunsthaus Künstlern Kopfzerbrechen: Die Kuppeldecke und die runden Lichteinlässe dominieren den Saal. Nun scheint es, als hätten sich zwei gefunden. Peter Kogler überzieht das Geschoß einfach mit tanzenden Lichtschleifen – die Wirkung ist eindrucksvoll verwirrend.

Glückwünsche sind aber nicht nur dafür angebracht, denn die Schau gilt auch Koglers 60er. Man blickt zurück auf Werkgruppen und berühmte Motive, die charakteristischen Ameisen etwa hängen jedoch bloß klein in einer Ecke. Besucher bekommen stattdessen zu sehen, was vor Koglers Werken steht, er lässt sich in die Inspirationsschublade blicken.

Es sollte eine Schau werden, die Koglers Werk in der Kunstgeschichte verortet und es nicht bloß vor Augen führt. Das Kunsthaus fungiert in diesem Sinn als betretbares Gehirn des aus Tirol stammenden und in Wien lebenden Künstlers. Viel Platz nehmen darin Gemälde Fernand Légers ein, daneben finden sich in Schaukästen Möbelskizzen Charlotte Perriands – Kogler teilte ihren Glauben an die Künste zum Zweck einer neuen Gesellschaft.

Grenzüberschreitungen

Der mit vielen nachstehenden Namen behängte Ausstellungstitel Connected lügt nicht, eine weitere Referenz ist Friedrich Kiesler. Als der 1924 in Wien die "Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik" veranstaltete, zeigte er eine Bühne ohne Wände, denn Kiesler wollte den Theaterraum zu einem Lebensraum machen.

Was deren Modell in Connected zu suchen hat? Auch Koglers Inszenierung öffentlicher Orte übertritt Grenzen. Etwa in der dramatischen Grazer Hauptbahnhof halle (2003) oder in der U-Bahn-Station am Wiener Karlsplatz (2012), denn jeder von Kogler gestaltete Raum wird zur großen Show.

Fahrbare Vorhänge breiten im Kunsthaus die Vielfalt des dazu parat stehenden Formvokabulars aus: Röhren dick wie Abwasser leitungen, Gespinste wurlend wie Würmer, Schwaden wie auf einer Wasserpfütze schwimmendes Öl sowie Blasen, die aussehen wie dicht gedrängte Zellen. Dazu kommen im Raum verstreute, markante "Icons" wie Glühbirnen, Ratten, Finger oder das Gehirn.

Unterwasserhochzeit

Entstanden sind sie alle am Computer. 1984 griff Kogler erstmals zum Pinselsymbol im Zeichenprogramm seines Macintosh. Seither macht er allerlei technische Sprünge mit, denn digitale Möglichkeiten sind künstlerische Gelegenheiten. Aus flachen Strukturen wie der Ameisenstraße wurden mit der Zeit dreidimensionale, neben geometrische Muster traten organische. Was die Hochglanzoptik bewusst meidet, sind emotionale Aspekte und gestische Ausrutscher.

Dass Kogler trotzdem auch freihand kann, zeigen Collagen. Auf diesen Tafeln sammelt er mit kleinen Magneten Bildchen, die ihn ansprechen. Warum sie das tun, weiß er nicht immer, doch ahnt Kogler, dass sie einmal für seine Arbeit relevant werden könnten. Eine der Tafeln widmet sich anscheinend Sport und Beinen. Wie aber passen der Chirurg und die Unterwasserhochzeit dazu?

Das surrealistische, lärmende "Ballet mécanique" im Kunsthaus.
Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Man selbst könnte Stunden damit zubringen, herauszufinden, was hier oder dort der verbindende Gedanke ist, begänne es hinter einem nicht plötzlich zu wummern. Lärmmusik drischt durch den Raum: noch einmal Léger. Der Grazer Klangkünstler Winfried Ritsch hat selbstspielende Pianos, Xylophone und Trommeln programmiert, um dessen surrealistisches Video Ballet mécanique nach einer Komposition von George Antheil zu begleiten.

Übrigens wurde der Film 1924 auf Kieslers Bühne uraufgeführt. Vieles hier ist mehr noch als mit Kogler untereinander verbunden.

Datenströme

Der Gruselsound – eine doch gefällige Melodie unter Donnern und Klirren – verfolgt einen bis ins eingangs erwähnte Obergeschoß. Von der Decke fließen dort Lichtkringel langsam die dunklen Wände hinab zum Boden, wo für Zuschauer Gummimatten zum Hinsetzen bereitliegen. Heftiger treffen einen die Projektionen aber im Orientierungssinn, wenn man sich in ihnen bewegt.

Peter Koglers Projektionen im Kunsthaus unterlegt passgenauer Sound von Franz Pomassl.
Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Bald stehen kleine Lichtpunkte am künstlichen Firmament, ordnen sich zum Raster, drehen sich dann aber aus dem rechten Winkel. Wenn das Spektakel vorgibt, sich zurückzuziehen, ist es nicht vorbei! Als würden hunderte Steinchen zugleich auf eine Wasseroberfläche geworfen, pulsieren plötzlich überall kleine Wellen.

Technoide Sounds von Franz Pomassl sind teils sekundengenau auf die Muster abgestimmt. Sie klingen wie Datenströme in den 1990ern. Mag Kogler auch ein Freund des technologischen Fortschritts sein, was Zeichenprogramme betrifft, das Vordringen des Internets in jeden Lebens bereich macht den Künstler aber skeptisch. Connected ist eben nicht gleich dauervernetzt. (Michael Wurmitzer, 22.7.2019)