Das 2er-Coupé ist unsere Drift-Maschine", betonte BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich, folglich werde es auch weiterhin mit Hinterradantrieb gebaut. Das ist die gute Nachricht, für Verfechter des weiß-blauen Reinheitsgebotes nämlich – vorn lenken, hinten antreiben, hochgradig fahraktiv. Den anderen wird es eh wurscht sein, wenn die eigentliche Botschaft lautet, dass abgesehen davon alle, notabene: alle 1er und 2er künftig auf der Frontantriebsplattform daherkommen. Als Flaggschiff avisiert ist dabei ein 2er Gran Coupé, dessen großer Auftritt: Frühjahr 2020.

Vorn lenken, hinten antreiben: Es war eine technische Traumpaarung, mit der der 1er 2004 loslegte. Der Abschied davon fällt schwer – aber nur den BMW-Kernkompetenz-Fans.
Foto: BMW
Grafik: der Standard

Der 1er, seinerzeit mit genau dem Alleinstellungsmerkmal Hinterradantrieb in der kompakten Klasse angetreten und mit bisher knapp 2,5 Millionen verkauften Autos doch ziemlich erfolgreich, macht im neuen Durchgang den Auftakt. Er macht beim Konzept manches, aber durchaus nicht alles anders. Er ist kürzer (um fünf Millimeter; jetzt 4,32 m), breiter (34 mm; jetzt 1,80 m), höher (13 mm; jetzt 1,43 m), der Radstand schrumpft ein klein wenig (20 mm; jetzt 2,67 m), der Wagen ist 30 kg leichter – und innen legt er beim Platz für die Passagiere und im Kofferraum deutlich zu. Beides, erfuhren wir bei der Pressepräsentation in und um Garching, waren echte Desiderata bei der Klientel, die im Übrigen bisher deutlich jünger war als beim 2er Active Tourer: Dort liegt der Altersschnitt mit über 60 Jahren auf Augenhöhe mit jener der konkurrierenden B-Klasse von Mercedes.

Verjüngung

Mercedes ist das Hauptstichwort, die A-Klasse wäre deren Gegenbeispiel, wie man die Jugend zum Hersteller holt, dorthin will auch BMW mit dem 1er, der wie gesagt dazu aber die Grundvoraussetzungen schon mitbringt.

Er ist kürzer als die A-Klasse (4,42 m), ist jener im Raumkapitel aber fast durch die Bank um einen Tick voraus. Der Kofferraum fasst neuerdings 380 Liter (20 mehr als bisher), bei umgelegter Rückbank werden 1200 daraus, folglich ziemlich präzise auf dem Niveau des Gegners (370-1210 l), den man als solchen längst nicht mehr bezeichnen darf: Mitbewerber ist die gängigste Sprachregelung.

Ein Blick in den neuen 1er.
Foto: BMW

Eine Sprachregelung, die weiters besagt, dass der Frontantrieb bei BMW super sei, und das ist gar nicht einmal groß geflunkert.

Die bisherige Gewaltentrennung ließ zwar entspannteres Lenken zu, am diesbezüglichen Verhalten des Neuen gibt es aber auch wenig auszusetzen. Kein Zerren, kein Ziehen, ein hohes Maß an Präzision, was sich dem enormen technischen Aufwand verdankt: ARB-Technologie (aktornahe Radschlupfbegrenzung) als Traktionsmoderator, Performance Control für die Gier-Momenten-Verteilung. Beim sportlichen Topmodell M135i xDrive kommt noch eine mechanische Torsen-Differenzialsperre dazu, sie wirkt vorne als Quersperre mit Torque-Vectoring-Effekt, ein Effekt, der sich sehen und spüren lassen kann.

Diesmal sitzen die Sperren an der Vorderachse.
Foto: BMW

Verblüffend

Beim eingangs skizzierten Kennenlernen im Bayernland verblüffte der mit zehn Millimeter tiefer gelegtem, adaptivem Fahrwerk VDC ausgestattete Top-1er mit Fahrqualitäten, die unsereins nicht erwartet hätte, die andererseits bei BMW aber nicht völlig ansatzlos daherkommen. Dass man den Blick auf der Straße hält, erleichtert ein erstmals verfügbares Head-up-Display, ein echtes, keines mit aufklappendem Plexiglas. Und der neu entwickelte 2,0-Liter-Twinturbo-4-Zylinder mit 306 PS, er werkt beispielsweise auch im X2 M35i, ist bei Leistungsentfaltung wie Klangkultur und Verbrauch ein Kapitel für sich. BMW, mit fettem M, das gilt immer noch.

Als zweites Testmodell stand der 120d (190 PS) zur Verfügung, auch der hinterließ einen positiven Eindruck, der Aufwand beim Geräuschdämmen macht sich bezahlt, und auch hier gilt: extrem gut abgestimmtes Fahrwerk, sportlich straff mit hohen Komfortreserven, kaum aus dem Konzept zu bringen. Agil, handlich, wendig fährt er sich, der 1er.

Trotzdem, Frontantrieb? Jo mei. Passt scho. Wenn es so stimmig dargeboten wird wie hier. Schließlich geht es auch um die Kostenfrage. Je mehr Minis und BMWs auf dieser Architektur stehen und verkauft werden, desto rentabler wird es für den Hersteller.

Der 1er M35i.
Foto: BMW

Der Rest im Stakkato. Dass es neben dem Frontantrieb auch Allrad gibt, haben Sie schon herausgelesen (xDrive). Dass es zum Start Ende September zwei Benziner und drei Dieselmotoren gibt, sei ergänzt. Außer der 6-Gang-Schaltung gibt es ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe von Getrag für Motoren bis 300 Nm Drehmoment, für alles darüber einen 8-Gang-Wandlerautomaten von Aisin aus Japan. Außer dem Basisfahrwerk und dem adaptiven gibt es auch ein zehn Millimeter tiefer gelegtes Sportfahrwerk. Achslastverteilung vorne/hinten: 59:41. Und innen hat, Stichwort Bediensystem und Vernetzung, die intelligente Sprachbedienung – "Hallo BMW" – Einzug gehalten.

In der Absicht, ein "sportliches, cooles Auto" zu kreieren, ist den Designern nicht einmal der Sinn für Proportionen abhandengekommen. Fesches Auto. Selbst die dreidimensionale Niere passt gerade noch harmonisch in die Front. Und schließlich: Einen Dreitürer gibt es nicht mehr. Keine Nachfrage. Das wird dem Fünftürer nicht passieren. Denn die Zeiten werden schlechter – die BMWs aber nicht. (Andreas Stockinger. 1.8.2019)