Befindet sich ein Kind in einer Familie in akuter Gefahr, kann es in einer Krisenpflegefamilie oder einem Krisenzentrum untergebracht werden. Bessert sich die Situation längerfristig nicht, kommt es in eine Pflegefamilie oder eine Wohngemeinschaft.

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Wien – Eine Frau ohne Versicherung, Wohnung und Einkommen hat ein Baby in einem Wiener Krankenhaus auf die Welt gebracht. Sie hat keine Sachen für das Kind und die Perspektive, mit ihm auf der Straße zu leben. Kurze Zeit später klingelt beim Wiener Jugendamt das Telefon. Auf Initiative der Behörde wird das Baby in einer Krisenpflegefamilie untergebracht.

10.500-mal rückte das Jugendamt vergangenes Jahr zu einer sogenannten Gefährdungsabklärung aus. Das sind in etwa 700 Abklärungen weniger als im Vorjahr – das geht aus dem Jahresbericht der Kinder- und Jugendhilfe hervor.

Dabei handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren, das nach einer Meldung an das Jugendamt automatisch gestartet wird. Sozialarbeiter nehmen eine Dringlichkeits- und Risikoabschätzung vor, sprechen mit Pädagogen, Ärzten und den Eltern. Etwaige Informationen dürfen die Sozialarbeiter auch ohne Zustimmung der obsorgeberechtigten Eltern einholen. "Wir schauen, dass die Abklärung möglichst zügig passiert", sagt Sprecherin Andrea Friemel zum STANDARD. Schließlich wisse man, dass diese Situation für die Eltern sehr belastend sei.

Meldungen von Schule, Polizei, Spital

In etwa der Hälfte der Fälle riefen Lehrer oder Polizisten bei der Behörde an, um eine etwaige Gefährdung zu melden. Etwa ein weiteres Drittel der Meldungen kam von Nachbarn, einem Spital oder den überforderten Eltern selbst. In 57 Prozent der Fälle war eine befürchtete Vernachlässigung der Grund, in 41 Prozent psychische oder körperliche Gewalt, in zwei Prozent sexuelle Gewalt.

In etwa 3.000 Fällen wurde mit Maßnahmen zur Unterstützung der Erziehung begonnen. Das könne die Vermittlung einer Familienhelferin oder zu einem Schuldnerberater sein, die Herstellung eines regelmäßigen Kontaktes zu einem Therapeuten oder die Einbindung des psychologischen Dienstes, erläutert Friemel. In gut 1.000 Fällen wurde das Kind in einem Krisenzentrum oder bei Kriseneltern untergebracht.

Letzte Maßnahme Abnahme

Bessert sich die Familiensituation nicht, kommen Kinder längerfristig in Wohngemeinschaften oder zu Pflegeeltern. Dementsprechend wurde im Vorjahr bei 584 Kindern entschieden. 2017 war das bei 630 Kindern der Fall, 2016 bei 716 Kindern. Insgesamt befanden sich 2018 etwa 4.000 Kinder in "voller Erziehung" durch die Behörde, am Stichtag 31. Dezember waren es knapp 3.900. Gemessen an der Anzahl der Minderjährigen in Wien verringerte sich der Anteil jener, die neu stationär in Wohngemeinschaften aufgenommen oder bei Pflegeeltern untergebracht wurden in den letzten Jahren.

Einen starken Rückgang gab es bei der Vertretung von unbegleiteten Flüchtlingskindern: Wurden 2017 noch knapp 700 betreut, waren es 2018 nur mehr 312. (Vanessa Gaigg, 22.7.2019)