Arvo Pärt war bei den Salzburger Festspielen zu Gast.

Foto: Mozarteum

Reich beschenkt hat die Moderne die Musikwelt mit Innovationen: Der Zwölftonmusik folgten Polytonalität, Serialismus, befreiende Aleatorik und nicht zu vergessen – schon früher – die gute alte Vierteltonmusik. Es galt, der Tonalität und ihren Klischees zu entrinnen, mittlerweile ist jedoch klar: Innovationen sind nicht nur anhand neuer Materialien und Regelsysteme möglich. Auch Beschränkung ist ein Weg. Die Minimal Music hat es mit ihrer Repetitionsmethodik gezeigt. Und auch bei Arvo Pärt hebt sich der Stil u. a. durch konsequenten Rückgriff auf Wurzeln der Mehrstimmigkeit von üblichen Vokalgesten ab.

Bei der Ouverture spirituelle im Salzburger Mozarteum war der Altmeister aus Estland persönlich zugegen, um sein karg anhebendes "Miserere" zu hören. Nach dem sanften "Magnificat" für gemischten Chor beginnt das 1989 verfasste Werk extrem asketisch. Einzelstimmen wechseln einander mit Soloinstrumenten ab.

Die Sonate mit dem Mond

Es ist ein gequältes, zögerliches Erwachen Richtung Ausbruch – beim Dies irae. Der Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Howard Arman und das Ensembles œnm transportieren die elementare Wucht dieser Passage imposant, deren Wirkung durch plötzliche Stille noch gesteigert wird. Zu diesem Zeitpunkt war die Erinnerung an Alfred Schnittkes "Drei geistliche Gesänge" ein wenig verblasst. Pärts "Miserere" absorbiert einiges an Wahrnehmungskondition.

Da hatte es Schostakowitschs Sonate für Viola und Klavier etwas leichter; dem finalen Werk des Russen ging eine Pause voraus. In der Version von Intendant/Pianist Markus Hinterhäuser und Violaspieler Antoine Tamestit berückte die pointiert zelebrierte melodische Abstraktion. Markant auch die harmonisch-melodische Verdüsterung von Beethovens "Mondscheinsonate" im Kopfsatz.

Besonders packend aber, wie das Duo den Schluss und dessen langsames Aushauchen mit Intensität auflud, obwohl sich die Struktur dynamisch im mikroskopischen Bereich aufhielt. Innovationsfragen stellen sich dann bei einem so persönlichen Werk übrigens nicht mehr. (Ljubiša Tošić, 22.7.2019)