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Sanchéz dürfte Premier bleiben.

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Iglesias (links) verzichtete auf ein Amt. Er machte damit den Weg frei für eine Regierungsbeteiligung seiner Partei.

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Veränderungen, um voranzuschreiten", heißt das Motto, unter das der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez seine Rede zur Wiederwahl vor dem Parlament stellte. Der 47-jährige Sozialist, der vor einem Jahr durch ein Misstrauensvotum an die Regierung kam und dessen Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) Ende April als stärkste Kraft aus vorgezogenen Neuwahlen hervorging, stellte ein Regierungsprogramm vor, das unter anderem mehr Rechte für prekäre Arbeitnehmer, mehr Gleichheit für Frauen, mehr Einkünfte für Rentner, eine entschlossene Umwelt- und Klimapolitik sowie eine Energiewende verspricht.

Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler. Der Wirtschaftswissenschafter Sánchez hat noch keine Mehrheit im Parlament. Während er redete, tagte hinter verschlossenen Türen eine Delegation seiner PSOE mit den linksalternativen Unidas Podemos (UP), um förmlich in der Nachspielzeit einen Koalitionsvertrag auszuhandeln. Denn die Sozialisten brauchen einen Bündnispartner. Die PSOE verfügt nur über 123 der 350 Abgeordneten im spanischen Parlament. Da die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) eine Unterstützung von Sánchez strikt ablehnen, bleibt nur UP. Und mit denen wollte Sánchez bis zum Schluss keine Koalition.

Schlagabtausch über Presse

Er sprach von einer "rein sozialistischen Regierung", die mit UP ein Programm aushandelt, aber keine UP-Minister aufnehmen sollte. UP-Chef Pablo Iglesias hingegen bestand auf eine Koalitionsregierung, in deren Kabinett er selbst sitzen wollte.

Der Schlagabtausch lief über die Presse und soziale Netzwerke. Ernsthafte Kontakte gab es nach den Wahlen über 80 Tage lang nicht. Alles sah nach Blockade und Neuwahlen im November aus. Bis am Freitag Iglesias überraschend auf einen Kabinettsposten verzichtete. "Spanien braucht eine linke Koalitionsregierung, die soziale Rechte zum zentralen Anliegen der Regierung macht. Die PSOE sagt, dass "ich das einzige Hindernis für eine solche Regierung bin". Er wolle nicht länger als Ausrede für ein Nichtzustandekommen fungieren, erklärte Iglesias in einem Video auf den sozialen Netzwerken. Allerdings kündigte er auch an, keine weiteren Vetos akzeptieren zu wollen. Er verlangte eine Koalition, die entsprechend den Wählerstimmen besetzt ist. Das wären fünf UP-Minister im neuen Kabinett – eine davon könnte die Lebenspartnerin von Iglesias, Irene Montero, werden.

Relative Mehrheit

Mit den 42 Abgeordneten von UP und dem Vertreter einer kleinen Regionalpartei aus dem nordwestspanischen Kantabrien hätte Sánchez dann 166 Stimmen auf seiner Seite. Zwar reicht das im ersten Wahlgang nicht für die absolute Mehrheit, aber sehr wohl für eine relative Mehrheit 48 Stunden später, vorausgesetzt, baskische und katalanische Regionalparteien enthalten sich. Die drei rechten Parteien, die konservative Partido Popular (PP), die rechtsliberalen Cs und die rechtsextreme Vox kommen zusammen nur auf 150 Neinstimmen gegen eine künftige Linksregierung.

Vor allem die Katalanen erhoffen sich von einer Linksregierung einen Dialog über ein Unabhängigkeitsreferendum nach schottischem Vorbild. Solche Bestrebungen gingen "gegen die Geschichte", beteuerte Sánchez jedoch einmal mehr. UP befürwortet ein solches Referendum.

Historisch

Bei den meisten Programmpunkten, die Sánchez in seiner Rede vorstellte, dürfte zwischen PSOE und UP Einigkeit herrschen. Denn die beiden Parteien verabschiedeten bereits vor den Neuwahlen ein gemeinsames soziales Regierungsprogramm. Es ging damals darum zusammen einen Haushalt zu verabschieden. Dieser erhielt letztendlich nicht die Mehrheit im Parlament, da die katalanischen Parteien mit "Nein" stimmten. Der Urnengang vom April wurde unumgänglich.

Was die Gemüter hinter den Kulissen erhitzte, war wohl die Zahl und die Namen der UP-Mitglieder, die künftig im Kabinett vertreten sein werden. Doch niemand zweifelt ernsthaft daran, dass sich die beiden Parteien spätestens bis zur zweiten Abstimmung am Donnerstag einigen werden. Sánchez würde damit Geschichte schreiben. Eine Koalitionsregierung mit UP wäre seit der Republik in den 1930er Jahren die erste Regierung an der eine Partei links der Sozialisten vertreten ist. (Reiner Wandler aus Madrid, 22.7.2019)