Am Ende war es eindeutiger als erwartet: Die Partei "Diener des Volkes", benannt nach der Comedy-Serie von Präsident Wolodymyr Selenskyj, hat die absolute Mehrheit in der Rada gewonnen. Nach Auszählung von etwa 70 Prozent der Stimmen am Montagnachmittag kommen die Diener des Volkes auf rund 42,7 Prozent.

Daneben ziehen die Oppositionelle Plattform um den Putin-Vertrauten Wiktor Mededtschuk mit gut 13 Prozent, die Europäische Solidarität von Ex-Präsident Petro Poroschenko mit 8,4 Prozent, die Vaterlandspartei um Ex-Premier Julia Timoschenko mit acht Prozent und die Partei "Holos" (Stimme) des politischen Rocksängers Swjatoslaw Wakartschuk mit 6,2 Prozent in die Rada ein. Alle anderen politischen Parteien, darunter auch die nationalistische Freiheitspartei und die populistische Radikale Partei, verpassen den Sprung ins Parlament.

Wenige Leute wählten...
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Zusammen mit den gewonnenen Direktmandaten käme Selenskyjs Partei damit auf knapp 250 der insgesamt 450 Sitze im Parlament. War das Abschneiden über die Parteiliste in etwa so erwartet worden, ist der Gewinn von mehr als 120 Direktmandaten überraschend, da die Kandidaten alle Newcomer sind und über keinerlei Erfahrung im Parlament verfügen.

Die Wählerzustimmung zu den Dienern des Volkes ist beispiellos: Es ist das erste Mal in der Ukraine, dass eine politische Kraft die absolute Mehrheit erreicht hat. Damit entfallen die komplizierten Koalitionsverhandlungen, mit denen im Vorfeld viele Experten gerechnet hatten.

Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs, insgesamt fixierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße. Die Wahlkommission selbst beklagte einzig die niedrige Wahlbeteiligung von knapp unter 50 Prozent.

Freie Hand für Selenskyj

Der Wahlausgang ermögliche es ihm nun, seine Gesetzesinitiativen durchzubringen, kommentierte Selenskyj selbst die ersten Hochrechnungen. Die Beendigung des Kriegs im Donbass, der Gefangenenaustausch und die Bekämpfung der Korruption blieben weiterhin seine prioritären Aufgaben, betonte der 41-Jährige.

Da zu diesem Moment noch nicht klar war, ob es zu einer absoluten Mehrheit reichte, bot Selenskyj Wakartschuk Koalitionsverhandlungen an. Der Leadsänger der Rockgruppe Okean Else war zuletzt auch immer wieder als möglicher Premierminister genannt worden. Allerdings ist diese Personalie wohl nun vom Tisch.

...aber diese mehrheitlich Selenskyj.
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Einerseits hatte Selenskyj selbst einen Wirtschaftsfachmann auf dem Posten gefordert, andererseits hat Parteichef Dmitro Rasumkow, der wohl zum Parlamentschef wird, inzwischen erklärt, dass es in den Reihen der eigenen Partei genügend Kandidaten für den Posten gebe. "Wir haben zwei bis drei Leute für jeden Posten", so Rasumkow Der Präsident kann die Regierung nur mit Unterstützung der Rada ernennen.

Für Selenskyj ist die Wahl Chance und Herausforderung zugleich. Der erste Schritt, einen fast vollständigen Austausch der politischen Elite, hat er mit seiner aus Neulingen zusammengesetzten Partei erreicht. Allerdings warnen Experten, dass er relativ schnell auch Ergebnisse zeigen müsse, die für die Ukrainer spürbar seien. Ansonsten werde sein enormes Rating schnell anfangen zu bröckeln.

Selenskyj erklärte bereits, für den Donbass den Dialog mit Putin zu suchen. Mit den Ergebnissen des ersten Telefonats zeigte er sich zufrieden. Bereits im Herbst wird Selenskyj aber auch mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über eine neue Kredittranche verhandeln müssen. Es sind schwere Gespräche zu erwarten, da der IWF schon die Vorgängerregierung zum Anziehen der sozialen Daumenschrauben gedrängt hat. (André Ballin, 22.7.2019)