Wenn sich Slackliner in luftige Höhen begeben, spricht man von "Highlining".

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Im Sommer bin ich immer auf der Suche nach neuen Outdoor-Sportarten. Am liebsten in der Natur und in netter Gesellschaft. Nach einer kurzen Internetrecherche werde ich schnell fündig: Slacklinen?! Das wollte ich schon lange einmal ausprobieren. Bei dieser Trendsportart werden speziell die Feinmuskulatur, die Konzentrationsfähigkeit und der Gleichgewichtssinn trainiert, lese ich, außerdem sollen Koordination und Reaktionsfähigkeit verbessert werden.

Auf den Bildern im Internet erinnert Slacklinen sehr an den Seiltanz im Zirkus – das habe ich als Kind einige Male ausprobiert und war gar nicht schlecht darin. Ein paar Klicks weiter stoße ich auch schon auf eine Gelegenheit, das Slacken zu versuchen: Jeden Freitag kann man bei den Vienna Slackliners auf der Arenawiese im Wiener Prater mitmachen und die innere Balance finden.

Um die langen Slacklines zu meistern, braucht es viel Training und Geduld.
Foto: DerStandard

Anfänger willkommen

Die Slackliner sind selbst auf der weitläufigen Arenawiese nicht schwer zu finden. Schon von weitem sieht man die bunten Lines zwischen den Bäumen. Als ich ankomme, montiert Harald Höglinger gerade eine sehr lange Slackline an einem hohen Baum. Harald ist Vereinspräsident der Vienna Slackliners und macht die Treffs schon seit etwa acht Jahren.

"Großteils kommen zwar geübtere Leute zum Treff, Anfänger sind aber immer herzlich willkommen", sagt Harald. Während ich ihm beim Anbringen der insgesamt vier Slacklines zuschaue, trudeln nach und nach die anderen ein. "Freitags kommen immer zwischen zehn und 15 Leute, es kommt aufs Wetter an", sagt er. Alle begrüßen mich freundlich und erzählen sich über ihre neuesten Kletter- und Slackline-Erfolge. Klar ist, das hier ist eine eingeschworene Gruppe.

Kontrolle ist alles

"Wenn jemand den Sport zum ersten Mal ausprobieren will, ist es immer gut, sich im Vorhinein bei uns zu melden, dann nehmen wir eine Kinder-Line mit", erklärt Harald. Kinder-Lines werden die kürzeren Slacklines genannt, die nur etwa kniehoch über dem Boden angebracht werden. Dort können sich die Anfänger dann ausprobieren. Bevor ich beginne, zeigt mir Harald noch, wie ich am besten aufsteige, und führt mir einige Tricks vor. Zum Beispiel den "Exposure Turn", bei dem man sich um 90 Grad dreht und in dieser wackeligen Position das Gleichgewicht halten muss.

Schon beim ersten Versuch, mich ohne Hilfe auf die Line zu stellen, ist klar, dass das nicht so einfach werden wird. Das dünne, flache Band aus Polyester ist nicht straff gespannt, sondern gibt unter dem Körpergewicht nach und schwingt – das macht es extrem herausfordernd, das Gleichgewicht zu halten. Mit dem Drahtseil im Zirkus hat das ziemlich wenig gemeinsam.

Zögerlich und langsam hinaufsteigen funktioniert nicht – in einem Schwung muss man sich einbeinig hinaufdrücken und dann erst mal mit dem restlichen Körper ausbalancieren. "Kontrolle ist beim Slacklinen alles", sagt Harald. Deshalb soll ich jetzt erst einmal den Auf-und Abgang üben – abwechselnd mit dem linken und dem rechtem Bein. Nach kontrollierten Bewegungen fühlt sich das bei mir aber ganz und gar nicht an.

Harald beim "Exposure Turn" auf der Slackline.
Foto: DerStandard

Schritt für Schritt

Auf der Slackline haben gerade mal meine große Zehe und die "Zeigezehe" daneben Platz. Sobald ich dann einbeinig oben stehe, fühlt sich mein Bein plötzlich an wie aus Gummi und wackelt wie wild von links nach rechts – die Muskeln, die eigentlich mein Bein stabilisieren sollten, sind bei mir wohl nicht sehr ausgeprägt. Nach etwa 15 Minuten raufhieven, kurz balancieren bzw. wie Wackelpudding zittern und wieder absteigen steht mir der Schweiß auf der Stirn. Harald meint, ich sei jetzt bereit, meine ersten Schritte zu wagen.

"Die meisten wollen sofort loslaufen, aber das funktioniert nicht. Alle Bewegungen müssen von Anfang an kontrolliert sein, sonst prägt man sich ein falsches Bewegungsmuster ein", erklärt Harald, nachdem ich vor lauter Übermut gleich einmal in der Wiese lande. Ich merke: Körperkontrolle braucht viel Fokus. Ich richte den Blick starr auf den Baum am anderen Ende: Mit diesem Trick gelingt es mir nach etwa einer halben Stunde, endlich mehrere kontrollierte Schritte nacheinander zu tun und so die Hälfte der Line zu überqueren. Bravo, sage ich zu mir selbst.

Die erste Line

Ich muss kurz pausieren und setze mich in die Wiese zu den anderen. Viel anstrengender als gedacht, dieser Balanceakt auf dem Band. Im Sitzen kribbeln mir die Fußflächen – ein bisschen fühlt es sich an, als würden sie noch immer versuchen, meinen Körper auszutarieren. "Das geht am Anfang den meisten so", wird mir von allen Seiten versichert. Nach den aufbauenden Worten und einem Schluck Wasser geht es wieder weiter. Die Pause hat sich bezahlt gemacht: Endlich schaffe ich eine ganze Länge – und freue mich wie ein Kind.

Das Fazit: Slacklinen bringt einen dazu, sich voll und ganz auf die eigenen Bewegungen zu fokussieren – das ist ziemlich anstrengend. Die Feinmotorik des ganzen Körpers wird beansprucht: Hier werden Muskeln aktiviert, von denen ich bis heute gar nicht wusste, dass ich sie habe. Wer denkt, Slacklinen wäre wie ein Spaziergang mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad, irrt gewaltig. Der Begriff "Full-Body-Workout" trifft es viel besser.

"Komm doch nächste Woche wieder", meint Harald bei der Verabschiedung. Ein Angebot, das ich mir auf jeden Fall überlegen werde. (Katharina Janecek, 28.7.2019)