Autos sind tonnenschwer. Das macht sie gefährlich, vor allem bei einem Zusammenstoß. Und, ob unterwegs oder geparkt: Platz brauchen Autos auch. Dass der Verkehr sicher, leicht und flüssig abläuft, ist gerade bei vollen Straßen nicht selbstverständlich. Darum kennt die Straßenverkehrsordnung auch Verkehrszeichen. So weit, so notwendig.

So macht man Radfahren attraktiv: wenn man generöse Ausnahmen für Radler schafft.

Fußgängerinnen und Fußgänger, genauso wie Radfahrende, brauchen fast keine Verkehrszeichen. Allgemeine Verkehrsregeln reichen im Normalfall aus. Dennoch werden diese beiden Gruppen nach wie vor dem Regime von Schildern und Ampeln unterworfen, einem Regime, das mit dem wachsenden Kfz-Verkehr entstanden ist und nur allzu oft den motorisierten Individualverkehr bevorzugt.

Für Radfahrende fühlt sich die Straßenverkehrsordnung deshalb meist so an, als "zwinge man Badminton-Spieler, die Regeln von Rugby anzuwenden" (Mikael Colville-Andersen, Verkehrsplaner aus Kopenhagen). Denn abgesehen von Radfahranlagen fehlt auch immer wieder eine radfahrgerechte Zusatzbeschilderung, die Ausnahmen ermöglicht.

Auch der öffentliche Verkehr wird vor Radfahrerinnen und Radfahrern geschützt. Es scheint ein Schreckgespenst städtischer Verkehrsplanung zu sein, dass ein unbotmäßiger Radverkehr Öffis behindern könnte. Ein- und Ausparkvorgänge hingegen, die beispielsweise eine Straßenbahn zum Stehenbleiben zwingen, werden in Kauf genommen.

Konflikte, Rechthaberei, Strafen

Seit die Polizei dazu übergegangen ist, nicht nur offensichtliche Vergehen von Radlerinnen und Radlern wie zum Beispiel Rowdytum oder das Missachten von Rotlicht zu ahnden, sondern deren Verhalten dem Buchstaben des Gesetzes gemäß abzustrafen – sprich so, wie die Verkehrsschilder es anordnen –, ist es an der Zeit, bestimmte Straßenschilder genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn so, wie viele von ihnen da stehen, fördert das absolut nicht den mittlerweile auch von bundespolitischer Seite forcierten, weil klimaneutralen Radverkehr.

Hier soll das blaue Gebotsschild mit den weißen Pfeilen unter die Lupe genommen werden. Dieses Schild ist auch verbindlich für Menschen auf dem Fahrrad – außer es gibt eine Zusatztafel, die Ausnahmen explizit erlaubt.

Gibt es die Zusatztafel nicht, kann das dem "Prinzip von den kurzen Wegen" entgegenwirken. Dieses Prinzip besagt, dass sich mit dem Rad Ziele ziemlich direkt ansteuern lassen. Nicht über lange Routen und Umfahrungen, wie das für große Verkehrsmittel oft unvermeidlich ist. Die Straßenverkehrsordnung trägt diesem Prinzip auch Rechnung, indem das Befahren von Einbahnen oder Fußgängerzonen auf dem Fahrrad erlaubt ist. Und genau dieses Prinzip ist es auch, das Radfahren so attraktiv macht.

Wenn komische Umwege dann quasi vorgeschrieben werden, kann das zur Folge haben, dass Verkehrsschilder nicht mehr ernst genommen werden. Konflikte entstehen und Rechthaberei greift Platz. Es gibt aber auch Stellen, an denen offenbar damit gerechnet wird, dass man als Radfahrer oder Radfahrerin das blaue Gebotsschild ignoriert. Wie soll man dann aber an anderen Stellen wissen, ob das Schild nun gilt oder nicht?

Und so schauen die Problemstellen aus:

Beispiel 1: 1070/1150

Foto: Reinhilde Becker

Täglich queren hunderte Menschen, aus der Mariahilfer Straße kommend, den Gürtel mit dem Fahrrad. Wollen sie vor dem Westbahnhof rechts in den Gürtelradweg einbiegen, müssen sie sich über das ausgeschilderte Fahrtrichtungsgebot hinwegsetzen, indem sie es ignorieren.

Beispiel 2: 1150

Foto: Reinhilde Becker

In der Dadlergasse im 15. Bezirk – auf dem Weg zum Schwendermarkt – ist man auch auf dem Rad verpflichtet, geradeaus zu fahren. Und das, obwohl die Einbahnen links und rechts für Radfahrende geöffnet sind und auch sonst nur geringes Verkehrsaufkommen herrscht.

Beispiel 3: 1070

Foto: Reinhilde Becker

Zu großen Umwegen verdammt sind Radlerinnen und Radler auf der Strecke der Linie 49. Durch die fehlende Rad-Ausnahme in der Westbahnstraße, bei der Hermanngasse und der Bandgasse, heißt es stadtauswärts ausnahmslos geradeaus fahren. Man sollte meinen, ein schnelles Verlassen der Schienenstraße liege nicht nur im Interesse der Radfahrenden, sondern auch in dem der Verkehrsbetriebe. Von hier aus, ist das Gebiet links, auf jeden Fall nur über Umwege (blau, violett) erreichbar, die gut neunmal so lang sind wie die logische Direttissima (orange). Der Ratschlag, man könne sein Rad ja um die Kurve schieben, bleibt bei solchen Gelegenheiten von wohlmeinender Seite übrigens nie aus.

Doch in der nahen Kaiserstraße funktioniert genau so ein Linksabbiegen über den Gleiskörper seit vielen Jahren. Da fährt der 5er. Hier darf in die für Radfahrer geöffnete Kandlgasse eingebogen werden. Es gibt kein Gebotsschild, welches das vereitelt. Und in der Kaiserstraße, Richtung Lerchenfelder Straße, wird Linksabbiegen über die Schienen durch ein Gebotsschild sogar ausdrücklich vorgeschrieben. In diesem Fall für Autos und nebenbei auch für Räder.

Beispiel 4: 1010

Foto: Roland Romano

Ist man mit dem Rad in der Inneren Stadt unterwegs, ist das Durchkommen von Haus aus schwierig. Von der Köllnerhofgasse in Richtung Lugeck/Sonnenfelsgasse gebietet der weiße Pfeil, nach rechts zu fahren. Es gibt keine Ausnahme für Fahrräder nach links in die Sonnenfelsgasse. Und das, obwohl Radeln im ganzen Grätzel, vom Lugeck bis zum Luegerplatz, gegen die Einbahn erlaubt ist. Da ist nämlich eine Wohnstraße. Und für eine solche gilt: Radfahren ist in jede Richtung möglich.

Beispiel 5: 1030

Foto: google/Reinhilde Becker

Auf dem Heumarktradweg zum Akademietheater gerät man wieder an eine fehlende Abbiegeerlaubnis. Und die würde ausgerechnet zu den Hauptradrouten in der Lothringerstraße und Neulinggasse führen. An dieser Stelle ist ausschließlich das Zufahren zu den Radbügeln vor dem Akademietheater erlaubt. Diese fallen nämlich auch unter die "genehmigten Stellplätze", für die es eine Ausnahme gibt.

Beispiel 6: 1021

Foto: google/Reinhilde Becker

Fährt man in der Angererstraße in Richtung Leopoldauer Straße und will rechts in die Schleifgasse auf den Radweg abbiegen, der durch die verkehrsberuhigte Zone zum Pius-Parsch-Platz und weiter führt, verhindert das ein Geradeausgebot. Dabei wünscht sich jede Radlerin, jeder Radler, die vierspurige Angerergasse so schnell wie möglich zu verlassen.

Beispiel 7: 1090

Foto: Reinhilde Becker

Auf der Währinger Straße stadteinwärts kann das Einfahren in die Spitalgasse teuer werden. Damit rechtsabbiegende Autos hier nicht dauernd die Straßenbahn blockieren, gilt von 6 bis 22 Uhr Geradeausfahren. Obwohl sie die Öffis gar nicht behindern können, wurden für abbiegende Radler hier schon hundert Euro Strafe fällig. Durch dieses Gebot lassen sich ausgerechnet zwei Hauptradrouten nicht verbinden.

Fortschrittlicher Stadtentwicklungsplan

Warum fehlt sie immer wieder, die Zusatztafel mit dem Hinweis "ausgenommen Rad"?

Roland Romano von der Radlobby Wien kennt die Problematik: "Bei Änderungen der Verkehrsorganisation wird leider teilweise auf eine logische und rechtskräftige Beschilderung des Radverkehrs vergessen. Weist man die Behörde darauf hin, kommt oft 'kein Bedarf einer Änderung oder keine Änderung geplant', selbst wenn diese das Radfahren massiv erleichtern würde." Dabei wolle die Stadt Wien den Radverkehr deutlich erhöhen. Der Widerspruch zwischen behördlichen Verordnungen und städtischer Verkehrspolitik sei ein strukturelles Problem.

So bekennt sich die Stadt Wien im Stadtentwicklungsplan 2025 zu Maßnahmen für mehr "Miteinander im Verkehr". Aufmerksamkeit und Verantwortung der einzelnen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer und nicht ein Übermaß an Verkehrszeichen, Ampeln und Bodenmarkierungen sollen den öffentlichen Raum gerechter verteilen. So gesehen, könnten sich gerade in den Tempo-30-Gebieten viele der blauen Gebotstafeln, die eine Fahrtrichtung vorschreiben, nicht nur für Fahrräder, sondern auch für Autos erübrigen. Bei angemessener Geschwindigkeit erkennt man die diversen Fahr- und Einfahrtverbote ohnehin rechtzeitig. (Reinhilde Becker, 27.8.2019)