Frauen und Fürsorge – das gehört für viele ebenso zusammen wie Männer und Ehrgeiz.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Frauen werden heute nicht mehr als weniger intelligent als Männer wahrgenommen. Trotzdem wirken Geschlechterstereotypien auch heute noch so, dass Frauen Fähigkeiten für Jobs mit Führungsaufgaben häufig abgesprochen werden. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie zu Geschlechterstereotypien in den USA, für die über sieben Jahrzehnte hinweg (1942–2018) repräsentative Stichproben erhoben wurden. Die Untersuchung der Northwestern University zeigte, dass es in diesen siebzig Jahren zu erheblichen Veränderungen der Geschlechterverhältnisse kam, doch gleichzeitig bestimmte Stereotypien seit den 1940er-Jahren unverändert geblieben sind.

Die Studie analysierte 16 Meinungsumfragen, die in den USA mit mehr als 30.000 Befragten durchgeführt wurden. In diesen Umfragen wurden die Befragten gebeten, allgemeine Kompetenzen von Frauen und Männern wie zum Beispiel "intelligent", "organisiert" oder "kreativ" mit sozialen Kompetenzen wie "liebevoll", "mitfühlend", "emotional" und Kompetenzen bzw. Eigenschaften wie "ehrgeizig", "aggressiv", "entschieden" zu vergleichen.

Liebevolle Frauen, entschlossene Männer

Bei den allgemeinen Kompetenzen schätzten die Befragten Frauen und Männer gleich ein. Bei der jüngsten Umfrage aus dem Jahr 2018 waren es sogar 86 Prozent, die Männer und Frauen als gleichermaßen intelligent einstuften. Von jenen, die Männer und Frauen als unterschiedlich intelligent wahrnahmen, schätzten neun Prozent Frauen als intelligenter ein, fünf Prozent hielten Männer für intelligenter.

Überraschend seien auch die Ergebnisse über den Gemeinschaftssinn und die Entschlossenheit von Männern und Frauen, so Alice Eagly, Hauptautorin der Studie und Professorin für Psychologie am College of Arts and Sciences an der Northwestern University. "Die Wahrnehmung von Frauen als soziale und Männern als agierende Personen hat sich seit den 1940er-Jahren nicht verändert", sagt Eagly. Die Einschätzung, Frauen seien mitfühlender, liebevoller und einfühlsamer als Männer, hat sich sogar verstärkt. Männer werden hingegen als ehrgeiziger, aggressiver und entschlossener als Frauen angesehen.

Beobachten – und Stereotype ableiten

Die ForscherInnen interpretieren diese Ergebnisse so, dass die Wahrnehmung, Männer und Frauen seien gleichermaßen intelligent, mit der zunehmenden Erwerbsbeteiligung von Frauen und ihrer zunehmenden Bildung zu tun habe. Die unterschiedliche Wahrnehmung von sozialer Kompetenz und Führungskompetenz wie Entschlossenheit und Ehrgeiz bei Frauen und Männern hänge mit der noch immer starken geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Geschlechterschieflage in bestimmten Berufen zusammen.

"Frauen konzentrieren sich oft auf Berufe, die soziale Fähigkeiten belohnen oder einen Beitrag zur Gesellschaft leisten", sagt Eagly. "Die Menschen beobachten die sozialen Rollen von Frauen und Männern und leiten daraus die Merkmale ab, die letztendlich Geschlechterstereotypien ausmachen." Stereotypien spiegelten im Allgemeinen die soziale Position von Gruppen in der Gesellschaft wider und änderten sich daher nur, wenn sich diese soziale Position ändere, so die Psychologin.

Die klischeehaften Vorstellungen über die umfassende soziale Kompetenz bringe Frauen zwar einen Vorteil, denn diese sei praktisch in jedem Job gefordert, so die ForscherInnen. Dass aber noch immer eher Männern Führungskompetenzen wie Entschlossenheit und Ehrgeiz zugeschrieben werde, sei für Frauen ein Nachteil in der Jobwelt. (red, 23.7.2019)