Sigalit Landau setzt Gegenstände monatelang dem salzigen Wasser aus, um kristallen funkelnde Skulpturen zu erhalten.

Foto: Yotam From

Die Ausstellung in Salzburg zeigt sozusagen Readymades aus dem Toten Meer.

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Lang versinken die klobigen Schuhe im Eis. Millimeter für Millimeter tauchen sie ein, bis sie schließlich im Süßwassersee im polnischen Danzig verschwinden. Danzig, das ist eine Stadt, dem das 20. Jahrhundert tiefe Wunden zugefügt hat. Es ist aber auch jene Stadt, in der die Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc entstanden ist.

Für das Werk der israelischen Künstlerin Sigalit Landau sind solche Markierungen von zentraler Bedeutung. Ihre in Danzig versinkenden Schuhe badete sie zuvor monatelang im Salzwasser des Toten Meeres, bis sie von einer zentimeterdicken Salzkruste überzogen waren. Das dazugehörige Video nennt sich Salted Lake und ist jetzt gemeinsam mit rund einem Dutzend anderer Videoarbeiten Landaus im Salzburger Rupertinum, dem zweiten Standort des Museums der Moderne, zu sehen. Die von einer dicken Salzkruste überzogenen Objekte lassen sich dagegen auf dem Mönchsberg begutachten.

Mit der auf zwei Orte aufgeteilten Sommerausstellung zu Sigalit Landau spinnt das Museum der Moderne einen Gedanken weiter, dem auch die diesjährigen Festspiele, vor allem in Gestalt von Peter Sellars, breiten Raum widmen werden. Am Samstagvormittag wird der amerikanische Regisseur seine Eröffnungsrede zum "Meer als Erzähler" halten. Während es ihm in erster Linie um die Dringlichkeit einer "ökologischen Zivilisation" gehen, steht bei Landau der politische Aspekt von Stranden und Untergehen im Vordergrund.

Totes Meere als Chiffre

Seit etwa 15 Jahren dreht sich das Schaffen der von einer altösterreichischen Familie abstammenden Landau um das Tote Meer. Es dient ihr sowohl als Chiffre für die Abgründe der Geschichte als auch für eine ästhetische Utopie. Seit Jahren arbeitet die 1969 geborene Künstlerin, die 2011 den israelischen Pavillon auf der Venedig-Biennale bespielte und der die Wiener Festwochen vor drei Jahren eine Retrospektive ausrichteten, an der Umsetzung einer sich aus dem Toten Meer erhebenden Brücke, die Menschen Israels, Jordaniens und des Westjordanlands einlädt, zusammenzukommen. Ein "Höhepunkt von allem Wünschenswertem", wie sie selbst sagt. Die Realisierung der Brücke scheint allerdings vorerst ausgeschlossen.

Einfacher umzusetzen sind die von Salz überzogenen Objekte, die durch eine natürliche Verwandlung im Salzwasser des Toten Meeres zu Kunstwerken außerordentlicher Ästhetik werden. Die Salzkristalle verwandeln Fischernetze, Pumps oder Kinderkleider in abstrahierte Objekte, die gleichermaßen von Tod und Schönheit, Belebtem und Unbelebtem erzählen und die wie nebenbei die Geschichte von Lots Frau, die zu einer Salzsäule erstarrt, in die Gegenwart transportieren.

Der biblische Hintergrund (Landau "tauft" ihre Objekte) ist gemeinsam mit der wechselhaften, blutigen Geschichte der Region der Resonanzraum, der auch für Landaus vielfältige Videoarbeiten zentral ist. Fast alle der im Rupertinum gezeigten Arbeiten haben mit dem Meer oder zumindest dem Strand, Israels einziger und friedlicher Grenze, zu tun. Doch eine Landschaft, die ihre Wunden und Schneisen nicht in sich trägt, gibt es bei dieser Künstlerin nicht.

Stacheldraht-Hula-Hoop

In einem Video filmte Landau Jugendliche bei einem Messerspiel, bei dem Sandflächen portioniert und aufgeteilt werden. Gedreht wurde am gemeinsamen Strand von Aza und Aschkelon, wobei die eine Stadt im Gazastreifen, die andere in Israel liegt. "Wo gespielt wird, ist Leben", so der trockene Kommentar der Künstlerin. Ein gemeinsames Spiel der Jugendlichen ist auch hier ausgeschlossen.

Es sind in ihrer Unbeschwertheit und Nebensächlichkeit oft Themen von großer Tragweite, die Landau in ihren Videoarbeiten verhandelt. In einer ihrer bekanntesten Arbeiten (Dead See) treibt die nackte Künstlerin inmitten von 500 mit einem Seil zusammengehaltenen Wassermelonen im Toten Meer. Einige von ihnen sind aufgerissen und offenbaren ihr rotes Fruchtfleisch, als handelte es sich um Menschenfleisch. In einer anderen schwingt Landau einen Hula-Hoop-Reifen aus Stacheldraht um ihre Hüften, der ihre Haut blutig reißt.

Weibliche Identitäten scheinen in der von politischen und religiösen Kämpfen geprägten Welt des Nahen Ostens besonders gefährdet – nicht umsonst wird die Schau am Mönchsberg von zwei mit Salzkristallen überzogenen Korsetten eröffnet, flankiert von den Fotos eines kristallin gewordenen chassidischen Brautkleids.

Schade nur, dass man die Ausstellung auf zwei Standorte aufgeteilt hat. Damit wurde die Möglichkeit der Präsentation eines Werks vertan, das sich zwar verschiedener Medien bedient, sich aber nicht so einfach zweiteilen lässt. (Stephan Hilpold, 24.7.2019)