Man kann sich recht sicher sein, dass die Schweizer Markenuhr, die man am Urlaubsstrand für wenige Euro angeboten bekommt, nicht echt ist. Doch in vielen Branchen sind Produktfälschungen weniger leicht identifizierbar. Wer denkt etwa daran, ob ein Ersatzteil für eine Flugzeugturbine tatsächlich vom Zulieferer auf seine Echtheit überprüft wurde? Produkte im sicherheitskritischen Bereich sind hoch reguliert und kostenintensiv, aber nicht immer fälschungssicher.

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Forscher der FH Vorarlberg kooperieren mit dem Zoll im "Vierländereck" Deutschland/ Schweiz/Österreich/Liechtenstein für einen nahtlosen Güterverkehr auf Blockchain-Basis.
Foto: Getty/Ullstein Bild / Wodicka

Das zeitgemäße Mittel, um eine Lieferkette von Anfang an frei von Betrug zu halten, ist technischer Natur. Administration und Dokumentation werden in einer Blockchain gespeichert, einer fälschungssicheren verteilten Datenbank, deren Einträge unumkehrbar festgeschrieben und für alle Beteiligten einsehbar sind. Doch so viel von Blockchains – befeuert durch das Medienecho der darauf basierenden Onlinewährung Bitcoin – gesprochen wird, so wenig breit genutzte Lösungen sind abseits der Internetwirtschaft tatsächlich in der unternehmerischen Praxis angekommen.

Jens Schumacher und Martin Dobler vom Forschungszentrum Prozess- und Produkt-Engineering der FH Vorarlberg wollen dazu beitragen, dass der Blockchain-Ansatz auch von der heimischen Wirtschaft öfter genutzt wird. Die Forscher sind Teil des heuer startenden Austrian Blockchain Center (ABC), das im Rahmen des Comet-Programms der Förderagentur FFG mit Mitteln von Wirtschafts- und Verkehrsministerium sowie von den Ländern Vorarlberg, Niederösterreich und Wien gefördert wird. 21 wissenschaftliche Institutionen arbeiten dabei mit dutzenden Wirtschaftspartnern zusammen, um die anwendungsorientierte Forschung in diesem Bereich voranzubringen.

"Eindeutig nachvollziehbar"

Ein Blockchain-System könnte ein Produkt vom Abbau der Rohstoffe bis zum Ende der Lebensspanne mit einer durchgängigen Kette von Einträgen begleiten. "Eine Papierdokumentation kann gefälscht werden. In einer Blockchain ist der Weg eines Produkts aber eindeutig nachvollziehbar", erklärt Jens Schumacher von der FH Vorarlberg. "Es sind darin nicht nur entsprechende Spezifikationen und Prüfprotokolle vorhanden. Man kann auch einsehen, wer genau einen Eintrag erstellt hat." Zudem könnten anhand von Seriennummer und Mikrochip die physischen Objekte eindeutig mit Einträgen in Verbindung gebracht werden. "Taucht eine Seriennummer beispielsweise mehrmals auf, würde man eine Fälschung eindeutig identifizieren können", sagt Dobler. Auf diese Art wäre eine durchgängige Dokumentation von der Herkunft des Roheisens bis zur Flugzeugturbine möglich. Auch Versicherungsleistungen könnten daran gekoppelt werden.

Begleiter durchs Recycling

"Die Kette kann bis zum Recycling weitergeführt werden", betont Dobler. "Auf diese Art kann auch nach 20 Jahren noch nachgewiesen werden, welche Rohstoffe in einem Produkt verwendet wurden und welche Schadstoffe dabei entstanden." Gegebenenfalls könnte man sich letztlich sogar über das Vorleben eines Produkts vor dem Recycling informieren.

Schumacher glaubt, dass die Zurückverfolgbarkeit einer Lieferkette via Blockchain auch für Produkte für Endkonsumenten durchaus sinnvoll sei. Im Supermarkt könne man dann nachprüfen, ob die Schokolade wirklich aus Biokakao und durch Fair-Trade-Wirtschaft hergestellt worden sei. Ein Hindernis dagegen könnte eine mangelnde Datenfreigiebigkeit von Unternehmen in der Lieferkette sein. "Die Automobilbranche ist etwa sehr kompetitiv. Wenn ein Zulieferer einem Hersteller seine Daten anvertraut, drückt dieser vielleicht den Preis, weil er einen Mangel in der Effizienz entdeckt", veranschaulicht Dobler.

Schon vor der Teilhabe am Austrian Blockchain Center prüften Schumacher, Dobler und Kollegen bereits, ob und wie Blockchains genutzt werden können, um den Güterverkehr im "Vierländereck" Deutschland/Schweiz/Österreich/Liechtenstein zu begleiten und Waren bei Bedarf automatisiert zu verzollen. "Auch hier könnte man die notwendige Dokumentation digitalisieren", sagt Dobler. "Die Papiere können auf diese Art nicht mehr gefälscht werden. Dass die Zöllner aber dennoch wie bisher stichprobenartig Blicke auf die tatsächlichen Waren werfen – darum werden wir auch in nächster Zukunft nicht umhinkommen." (Alois Pumhösel, 28.7.2019)