Darstellung der Gaia-Daten kombiniert mit anderen Durchmusterungen und StarHorse-Code über einer Illustration der Milchstraße. Mittig ist deutlich eine Balkenstruktur erkennbar.

Illustr.: NASA/JPL-Caltech/R. Hurt; Starhorse Overlay: A. Khalatyan

Während wir von der Erde aus mit entsprechend leistungsfähigen Teleskopen einen guten Auslick auf Galaxien in nah und fern haben, verwehrt uns die Position des Sonnensystems innerhalb der Scheibenebene einen aussagekräftigen Eindruck von unserer eigenen Heimatgalaxie. Bis in jüngste Zeit war daher gar nicht so klar, wie die Milchstraße nun wirklich aussieht. Einiges liegt nach wie buchstäblich im Dunkeln, verborgen hinter interstellaren Staubwolken.

Einen bedeutenden Beitrag dazu, wie man sich die Milchstraße vorzustellen hat, lieferten nun Daten der ESA-Mission Gaia, ergänzt durch anderweitige Beobachtungen. Auf Basis dieser kombinierten Informationen erstellten Wissenschafter unter der Leitung des Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und der Universität Barcelona eine aktualisierte Karte unserer galaktischen Heimat. Auf dieser Darstellung tritt die zentrale Struktur, die die Milchstraße klar als Balkengalaxie ausweist, deutlich hervor.

Genauere Kartierung

Durch die Nutzung zusätzlicher Beobachtungen mit boden- und weltraumbasierten Teleskopen im optischen und Infrarotbereich haben die Forscher neue Entfernungen, Sterneigenschaften und die interstellare Lichtabschwächung durch Staub für etwa 150 Millionen Sterne in unserer Galaxie ermittelt. Dieser Ansatz der Nutzung mehrerer Wellenlängenbereiche ermöglicht eine genauere Kartierung der entferntesten Regionen der Milchstraße, erweitert ihre dreidimensionale Ansicht über frühere Arbeiten hinaus und bildet erstmals den zentralen galaktischen Balken deutlich ab.

"Wir haben uns insbesondere zwei der in den Gaia-Daten enthaltenen Sternparameter angesehen: die Oberflächentemperatur der Sterne und die Lichtabschwächung, die im Grunde genommen ein Maß dafür ist, wie viel Staub sich zwischen uns und den Sternen befindet, ihr Licht verdeckt und es röter erscheinen lässt", sagt Friedrich Anders von der Universität Barcelona, Hauptautor der im Fachjournal "Astronomy and Astrophysics" erschienenen Studie. "Diese beiden Parameter sind miteinander verbunden, aber wir können sie unabhängig voneinander bewerten, indem wir zusätzliche Informationen hinzufügen, die wir dadurch erhalten, dass wir mittels Infrarotbeobachtungen durch den Staub hindurchschauen."

Enorm aufwändige Rechenoperationen

Das Team kombinierte die zweite Gaia-Datenveröffentlichung (DR2) mit mehreren Infrarot-Durchmusterungen unter Verwendung eines Computerprogramms namens StarHorse, das von Koautorin Anna Queiroz vom AIP mitentwickelt wurde. Der Code vergleicht die Beobachtungen mit Sternmodellen, um die Oberflächentemperatur von Sternen, die Lichtabschwächung und eine verbesserte Schätzung der Entfernung zu den Sternen zu bestimmen. Arman Khalatyan, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe "Supercomputing und E-Science" am AIP und zweiter Autor der Studie, betont, dass "die Berechnung insgesamt 19 Jahre auf einem einzigen Computer gedauert hätte. Mit der wachsenden Datenmenge werden in Zukunft noch größere Anstrengungen erforderlich sein." Die Berechnungen wurden in der Clusteranlage des AIP durchgeführt.

Dadurch erreichten AstronomInnen eine wesentlich bessere Bestimmung der Entfernungen zu etwa 150 Millionen Sternen – in einigen Fällen beträgt die Verbesserung bis zu 20 Prozent oder mehr. Dies ermöglichte es ihnen, die Verteilung der Sterne über die Milchstraße auf viel größere Entfernungen zu verfolgen, als dies nur mit den ursprünglichen Gaia-Daten möglich war. "Mit der zweiten Gaia-Datenveröffentlichung können wir einen Radius um die Sonne von etwa 6.500 Lichtjahren sondieren, aber mit unserem neuen Katalog können wir diese 'Gaia-Kugel' um das Dreifache oder Vierfache erweitern – bis ins Zentrum der Milchstraße", erklärt Koautorin Cristina Chiappini vom AIP.

Annäherung an den galaktischen Balken

Dort, im Zentrum unserer Galaxie, zeigen die Daten deutlich eine große, längliche Struktur in der dreidimensionalen Verteilung der Sterne: der galaktischen Balken. "Wir wissen, dass die Milchstraße einen Balken hat, so wie andere Balkenspiralgalaxien, aber bisher hatten wir nur indirekte Hinweise aus den Bewegungen von Sternen und Gas oder aus der Sternenzählung in Infrarotdurchmusterungen. Dies ist das erste Mal, dass wir den galaktischen Balken im 3D-Raum sehen, basierend auf geometrischen Messungen von Sternabständen", erläutert Anders.

"Wir interessieren uns letztendlich für galaktische Archäologie: Wir wollen rekonstruieren, wie sich die Milchstraße entwickelt hat, und dazu müssen wir die Geschichte jedes einzelnen ihrer Bestandteile verstehen", ergänzt Chiappini. "Es ist immer noch unklar, wie sich der Balken gebildet hat – eine große Menge an Sternen und Gas, die sich starr um das Zentrum der Galaxie dreht – aber mit Gaia und anderen bevorstehenden Durchmusterungen der nächsten Jahre sind wir sicherlich auf dem richtigen Weg, dies herauszufinden."

Vorfreude auf weitere Gaia-Daten

Mit Blick auf die Zukunft freut sich Queiroz, dass "wir mit der nächsten Gaia-Datenveröffentlichung, die auch niedrigauflösende Spektren für Milliarden von Sternen beinhalten wird, noch bessere galaktische Karten produzieren können, die möglicherweise bis zur anderen Seite der galaktischen Scheibe reichen." Die dritte Gaia-Datenveröffentlichung, die derzeit für 2021 geplant ist, wird stark verbesserte Entfernungsbestimmungen für eine viel größere Anzahl von Sternen beinhalten und soll Fortschritte beim Verständnis der komplexen Region im Zentrum der Milchstraße ermöglichen. (red, 23.7.2019)