Der Mensch greift seit Jahrtausenden in das Erbgut von Pflanzen ein. Was aber als Gentechnik gelten und streng reguliert werden soll, ist umstritten.

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Genau ein Jahr nach dem restriktiven EuGH-Urteil zu Genome Editing bei Pflanzen fordern zahlreiche Forscher europäischer Institute eine Gesetzesänderung. Der Einsatz neuer, präziser Zuchtmethoden zur Verbesserung von Kulturpflanzen müsse vereinfacht werden, um nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion auch in Zeiten von Klimawandel und Bevölkerungswachstum sicherzustellen, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme an das neu gewählte EU-Parlament und die EU-Kommission.

In Österreich wurde das Statement unter anderem vom Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI), der Universität für Bodenkultur und dem CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) unterzeichnet.

Restriktives Urteil

Im Juli 2018 hatte hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg überraschend entschieden, dass Genome-Editing-Methoden wie CRISPR/Cas9 pauschal unter die bestehenden strengen Gentechnikrichtlinien von 2001 fallen – auch dann, wenn dabei keine transgenen Organismen entstehen. Pflanzen, bei denen auch nur eine Base mithilfe solcher Techniken verändert wurde, sind dadurch in der EU einem aufwändigen und teuren Zulassungsverfahren unterworfen. Die Forscher fürchten, dass Investitionen in Forschung in der EU zurückgehen und Züchtung durch kleinere Betriebe verhindert würden.

Gleichzeitig sind Pflanzen, die mit den weit weniger präzisen konventionellen Methoden der Genveränderung – etwa durch Chemikalien oder Bestrahlung – hergestellt wurden, von der Regulierung ausgenommen. Diese Mutationsverfahren erzeugen auf weitaus brachialere Weise zufällige Variationen in den Genomen der Pflanze, die irgendwann zu neuen Eigenschaften führen sollen. "Neue Verfahren wie CRISPR/Cas9 erlauben die präzise Züchtung, bei der die gleichen positiven Genomveränderungen ohne die begleitenden Genomschäden erzielt werden können", sagte Ortrun Mittelsten Scheid vom GMI. Mit anderen Worten: Die Verwendung der "Gen-Schere" in der Pflanzenzucht ist schneller, präziser und billiger als herkömmliche Methoden.

Video: Wie die Gen-Schere funktioniert.
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Anpassung gefordert

In einigen Ländern, etwa den USA, wurden geneditierte Pflanzen ohne Fremd-DNA generell von Gentechnikrichtlinien ausgenommen. Zuletzt beschritt auch Russland diesen Weg: Eine neue Verordnung bewertet Techniken wie CRISPR/Cas9 als vergleichbar mit herkömmlichen Zuchtmethoden, sofern die genetischen Veränderungen nicht durch das Einschleusen artfremder Gene hervorgerufen werden.

In Anbetracht globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Bevölkerungswachstum könnten neue Züchtungsmethoden wichtige Beiträge zur Ernährungssicherheit leisten, heißt es von den Unterzeichnern der Stellungnahme. Sie fordern daher eine Anpassung der GVO-Gesetzgebung und Harmonisierung mit anderen Staaten, um auch kleineren Forschungsinstituten und Produzenten in der EU die Züchtung zu erleichtern. Erst kürzlich hatte die deutsche Max-Planck-Gesellschaft in einer Stellungnahme ähnlich argumentiert und ebenfalls eine Lockerung der Richtlinien für die Pflanzenzucht gefordert. (red, 25.7.2019)