Im nächsten Jahr werden die Salzburger Festspiele 100. Haslauer muss dafür finanziell vorsorgen.

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Im vergangenen Jahr wurde er wiedergewählt. Und nicht zufällig beschloss Wilfried Haslauer, sich nunmehr wieder selbst um die Landesmuseen und die Salzburger Festspiele kümmern zu wollen, nachdem man die Agenden zuvor auch schon dem grünen Koalitionspartner übertragen hatte. Der ÖVP-Landeshauptmann sollte mit Parteikollege Gernot Blümel im Amt des Kulturministers gewichtige Projekte auf Schiene bringen. Auf halbem Weg kam dann das Regierungs-Aus. Bitte warten, heißt es nun.

STANDARD: Der Regisseur Peter Sellars wird bei seiner kommenden Festspiel-Eröffnungsrede den Klimaschutz ansprechen. Wie wichtig ist Ihnen das Thema?

Haslauer: Es ist sehr wichtig. Wir haben die Klimaschutzinitiative Salzburg 2050 entwickelt und sind zum Beispiel bei erneuerbaren Energien in einer Spitzenposition in Österreich.

STANDARD: Zu den Hauptsponsoren der Festspiele zählen aber seit Jahren Nestlé oder Audi, beide mitunter im Kreuzfeuer der Umweltschützer. Wird beim Kultursponsoring die Moral zurückgestellt?

Haslauer: Also ich würde Ihre Unterstellung, dass Audi und Nestlé unmoralische Unternehmungen sind, nicht so stehen lassen. Wir haben mit beiden seit Jahren eine sehr enge Sponsorenbeziehung, speziell Audi treibt die Entwicklung von Elektroantrieb sehr voran. Hier etwas zu ändern ist kein Thema für uns.

STANDARD: Audi ist etwa in den Dieselabgasskandal verwickelt, Nestlé wurde von Umweltschützern u.a. wiederholt vorgeworfen, an Wasserknappheit in Entwicklungsländern Mitverantwortung zu tragen. Wie hoch kann man also die moralischen Ansprüche anlegen beim Kultursponsoring?

Haslauer: Beides sind Unternehmen, deren Produkte von Millionen Menschen gekauft werden. Also man kann es schon auch übertreiben. Unsere Ansprüche beim Sponsoring sind politisch-moralische, wir nehmen kein Geld von problematischen Regimen oder Personen mit fragwürdiger Vergangenheit. Ich hielte es für falsch, eine Pauschalkeule auszupacken bei so großen Unternehmen wie Audi und Nestlé.

STANDARD: Auch der Tourismus belastet das Klima. Sie wollen in der Stadt Salzburg die Tagesbesucher reduzieren. Wie soll das gehen?

Haslauer: Zum Beispiel mit einem geregelten Anmeldesystem für Bus-Reisegruppen. Es ist immer eine Frage der Abwägung, man muss eine Vernünftige Balance zwischen Tagestourismus, länger bleibenden Besuchern und Einwohnern finden.

STANDARD: In Venedig wird man bald Eintritt zahlen müssen. Würden Sie für Salzburg zahlen?

Haslauer: Ich würde schon zahlen, weil die Stadt so schön ist. Aber für uns kommt das nicht in Frage. Venedig ist aufgrund seiner Lage noch wesentlich musealer als Salzburg. Wir wollen schon weiterhin eine dynamische und lebendige Stadt bleiben.

STANDARD: Sie sagten kürzlich, dass die Festspielgebäude sanierungsbedürftig seien und dafür 100 Millionen Euro gebraucht würden. Wie wollen Sie das finanzieren?

Haslauer: Das große Festspielhaus ist nach 60 Jahren teils baufällig, wir haben etwa Probleme mit dem Brandschutz. Wenn man an einer Stelle anfängt, muss man woanders weitermachen. Daher braucht es ein Gesamtkonzept, mit dessen Erstellung wir die Bundesimmobiliengesellschaft bereits beauftragt haben. Die derzeitige Kostenannahme liegt bei 100 Millionen. Das ist zu bewältigen, wenn man es auf fünf bis zehn Jahre strecken kann. Aufgeteilt wird es auf den Bund mit 40 Prozent, Land und Stadt Salzburg mit je 25 Prozent, die Festspiele selbst sowie den Tourismusförderungsfonds mit den übrigen zehn Prozent.

STANDARD: Sie haben nur das Problem, dass das mit der Übergangsregierung nicht zu machen ist.

Haslauer: Ich konnte in Gesprächen in Wien erreichen, dass zumindest unser Finanzbedarf für 2020, wenn wir 100 Jahre Salzburger Festspiele feiern, gedeckt sein wird. Ende 2019 wird unser Gesamtkonzept vorliegen. Aus meiner Sicht muss es dann 2020 unter einer neuen Regierung in ein Bundesgesetz gegossen werden.

STANDARD: Warum das?

Haslauer: Wenn ein Projekt über Jahre laufen soll, wäre es zu unsicher, das Jahr für Jahr neu zu verhandeln. Daher brauchen wir hier gesetzliche Sicherheit.

STANDARD: Sollten außer den Festspielen noch andere Vorhaben aufgenommen werden?

Haslauer: Ja, ich kann mir vorstellen, dass im neuen Regierungsübereinkommen ein kulturelles Konjunkturbelebungsprogramm aufgenommen wird, das neben den Festspielen auch andere Vorhaben enthält.

STANDARD: Von Kürzungen im Kulturbereich würden Sie einer neuen Regierung also abraten?

Haslauer: Ja, schon. Denn in unsere Stärken, zu denen die Kunst zählt, müssen wir investieren.

STANDARD: Die Festspielgebäude aus den 1950er-Jahren sind denkmalgeschützt, selbiges beim Wien-Museum, auch dort braucht man über 100 Millionen für die Sanierung. Neubauten wären vermutlich günstiger. Geht der Denkmalschutz in diesen Fällen zu weit?

Haslauer: Ich kann nur für das Salzburger Festspielhaus sprechen, und das halte ich für erhaltenswert. Ein Neubau wäre aus meiner Sicht überhaupt nicht günstiger. Außerdem müsste man dann Ausweichquartiere für die Bauzeit schaffen. Das ist undenkbar in Salzburg.

STANDARD: Sie haben sich für ein Fotomuseum des Bundes in Salzburg starkgemacht. Rund 30 Millionen würde es kosten. Rückt das angesichts der benötigten Mittel für die Festspiele in weite Ferne?

Haslauer: Keineswegs. Wir verfolgen das intensiv weiter. In Salzburg gibt es schon jetzt viel Kompetenz für Fotografie. Wir wollen aber gar nicht, wie befürchtet wird, dass Sammlungen der Wiener Museen nach Salzburg verbracht werden. Hier soll vielmehr ein Forschungszentrum für visuelle Kulturen entstehen, das der Digitalisierung Rechnung trägt. Wir hatten bereits einen Präsentationstermin beim Minister dafür, dann kam uns der Sturz der Regierung dazwischen. Das Thema Fotomuseum ist etwas, das man auch in ein neues Regierungsprogramm hineinbekommen müsste. Es geht weit über Salzburg hinaus, betrifft ganz Österreich.

STANDARD: Die von Ihnen beauftragte Expertenstudie liegt bereits vor?

Haslauer: Ja, aber wir wollen sie zunächst dem oder der neuen KulturministerIn vorlegen, bevor wir damit an die Öffentlichkeit gehen.

STANDARD: 2020 wird sich die Landesausstellung mit 100 Jahre Salzburger Festspiele beschäftigen. Die Stadtpolitik und Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler wünschen sich seit Jahren ein Festspiele-Museum. Wie steht es damit?

Haslauer: Bis 2020 wird sich das nicht mehr ausgehen. Was uns fehlt, ist ein geeigneter Standort, aber wir denken darüber nach. Inhaltlich kann jedenfalls die Landesausstellung eine Grundlage für ein späteres Museum liefern.

STANDARD: Ein Projekt, das Sie fixieren konnten, ist eine Außenstelle des Wiener Belvedere in Salzburg. Wie ist Ihr Zeitplan?

Haslauer: Sagen wir so: Wir sind in guten Gesprächen darüber. Das Belvedere will ein Einfallstor in Salzburg schaffen, wovon beide profitieren können. Ein geeigneter Standort wäre der zweite Innenhof der Residenz, wo es Anknüpfungen zum Salzburg-Museum gäbe. Das wird gerade abgeklärt.

STANDARD: Was fehlt, ist die Finanzierung?

Haslauer: Das Belvedere kann verständlicherweise nicht aus eigenem Budget den Bau finanzieren. Wir werden eine regionale Lösung suchen, aber den Bund bitten, sich daran zu beteiligen. Auch das wollen wir einer neuen Bundesregierung vorlegen. Ein idealer Eröffnungszeitpunkt wäre 2023.

STANDARD: Die Albertina soll sich indes für einen Standort in Linz interessieren. Ist das die Richtung, in die die Länder mit Ex-Kulturminister Blümel gehen wollten?

Haslauer: Aus meiner Sicht ja. Das Engagement der Bundesmuseen in den Ländern sollte über die bloße temporäre Zusammenarbeit hinausgehen.

STANDARD: Besteht die Gefahr, dass die großen Kunsttanker den regionalen Museen die Kundschaft wegschnappen?

Haslauer: Nein, ich denke nicht. Wir haben an die 100 Regionalmuseen in Salzburg mit ganz eigenen unverwechselbaren Profilen. Was aber nicht passieren darf, ist, dass bestehende Häuser dadurch weniger Mittel bekommen.

STANDARD: Die freie Kulturszene bekommt nur 0,25 Prozent des Landeskulturbudgets, in der Stadt Salzburg ist es ein Prozent. Kritiker werfen Ihnen vor, Sie konzentrierten sich zu sehr auf die große Repräsentationskunst.

Haslauer: Das Thema kenne ich. Die freie Kulturszene ist aber bei Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) angesiedelt.

STANDARD: Aber Sie wachen über die Budgetverteilung.

Haslauer: Das stimmt schon, der Landeshauptmann darf für alles den Kopf hinhalten. Aber Heinrich Schellhorn hat das Kulturbudget in den vergangenen Jahren angehoben, und die freie Szene ist nicht so schlecht dotiert in Salzburg. Es gibt ja auch Subvention aus der Tourismusförderung.

STANDARD: Eine Forderung der freien Szene ist, dass man zumindest auf 1 Prozent des Budgets kommt. Vernünftig?

Haslauer: Ich bin skeptisch, was pauschale Budgetforderungen betrifft. Man sollte lieber über einzelne Projekte reden.

STANDARD: 2018 hat das Land eine neue Kulturstrategie verabschiedet. Sie schreibt 77 Einzelmaßnahmen fest: Darunter die Schaffung von Ateliers und Probenräumen im ganzen Land oder ein biennal stattfindendes Festival für zeitgenössische Kunst. Was ist davon in Umsetzung?

Haslauer: Der sogenannte KEP (Kulturentwicklungsplan) wurde vom Kollegen Schellhorn unter reger Beteiligung der Kulturszene umgesetzt. Für Details wäre er der bessere Ansprechpartner.

STANDARD: Aber Sie werden sich bei der Budgeterstellung im Herbst dafür einsetzen, dass der KEP ausreichend Mittel erhält?

Haslauer: Natürlich setze ich mich dafür ein, den KEP Schritt für Schritt umzusetzen. Wenn wir ihn Ad Acta legen würden, machen wir uns ja lächerlich.

STANDARD: Salzburg hat sich freiwillig aus dem Rennen für die Europäische Kulturhauptstadt 2024 genommen. Mit einer Bewerbung hätte man ein Argument mehr gehabt für kulturelle Investitionen.

Haslauer: Salzburg ist als Kulturstadt schon jetzt hervorragend positioniert. Ich glaube nicht, dass uns das Siegel Europäische Kulturhauptstadt viel bringen würde. Das Programm hat aus meiner Sicht mehr Sinn für Städte und Regionen, die sich kulturell entwickeln wollen, wo es noch nicht diese Strahlkraft gibt. Das Mäntelchen Kulturhauptstadt anzuziehen, nur um damit die Finanzierung einzelner Projekte hinzubekommen, fände ich unangebracht.

STANDARD: Bei den Osterfestspielen setzen Sie Dirigent Christian Thielemann mit 2020 Nikolaus Bachler vor. Viele glauben, dass zwei Alphatiere zu viel sind und Thielemann mit dem Orchester abziehen wird. Was würden Sie in dem Fall tun?

Haslauer: Der Fall wird nicht eintreten. Wir schätzen Christian Thielemann außerordentlich. Die beiden sind zwei starke Persönlichkeiten, aber sie werden im Sinne der Sache sicherlich zusammenfinden.

STANDARD: Ende 2020 wird sich Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler zurückziehen. Es gibt das Gerücht, dass Sie ihr nachfolgen könnten. Ist das denkbar?

Haslauer: Es ist ehrenhaft, dass ich dafür gehandelt werde. Aber ich habe vor, 2023 erneut als Landeshauptmann zur Wahl anzutreten. (Stefan Weiss, 25.7.2019)